: Niedersachsen will Abhören legalisieren
Entwurf eines Verfassungsschutzgesetzes vorgelegt/ Kritik vom grünen Koalitionspartner ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Einen neues Verfassungsschutzgesetz, das künftig auch in Niedersachsen „Vorgänge wie das Celler Loch“ verhindern soll, hat Innenminister Glogowski gestern in Hannover präsentiert. Der Gesetzentwurf, der erstmals in der Bundesrepublik nicht nur die Aufgaben, sondern auch die Befugnisse eines Verfassungsschutzes abschließend regelt, stößt allerdings beim grünen Koalitionspartner des SPD-Innenministers auf Kritik.
Wie Glogowski gestern vor der Presse erläuterte, orientiert sich der niedersächsische Entwurf weitgehend am Verfassungsschutzgesetz von Schleswig-Holstein und am Entwurf für ein Bundesverfassungsschutzgesetz. „Pilotfunktion“ reklamierte Glogowski allerdings für sein Gesetz bei den nachrichtendienstlichen Mitteln, die der V-Schutz künftig in Niedersachsen einsetzen darf. Erstmals würden in diesem Gesetz alle „Gegenstände und Instrumente zur heimlichen Informationsbeschaffung aufgezählt, die zulässig sind“, sagte Glogowski. Damit werde dem Verfassungsschutz die Möglichkeit genommen, seine Mittel selbst zu defininieren.
Die Liste dieser Mittel reicht im Entwurf allerdings vom V-Mann über Bildaufzeichnungen, Legenden und Tarnpapiere bis hin zum „heimlichen Mithören des nicht öffentlich gesprochenen Wortes unter Einsatz technischer Mittel“. Ein solcher Einsatz von Abhörgeräten wird von den Grünen abgelehnt. „Bisher waren dem Verfassungsschutz in Niedersachsen Lauschgriffe und die Verwendung von Wanzen nicht erlaubt“, sagte gestern der grüne Landtagsabgeordnete Hannes Kempmann, der für seine Partei in der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtages sitzt. Es könne nicht angehen, daß ausgerechnet eine rot-grüne Landesregierung die Befugnisse des Verfassungsschutzes noch erweitere.
Der grüne Abgeordnete vermißt in dem Gesetzentwurf außerdem eine klare Klausel, die dem Verfassungsschutz „ausdrücklich das Begehen von Straftaten untersagt“. Schon in ihren Koalitionsverhandlungen hatten sich SPD und Grüne auf eine solche Klausel für das künftige Verfassungsschutzgesetz geeinigt. Im Entwurf findet sich jetzt nur die Formulierung, das neu einzurichtende Landesamt für Verfassungsschutz sei „an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden“.
Kontrolliert werden soll der Verfassungsschutz nach dem Entwurf durch einen Ausschuß des Landtages und nicht mehr durch die Parlamentarische Kontrollkommission. Die Befugnis, jederzeit auch als Untersuchungsausschuß agieren zu können, gibt der Gesetzentwurf diesem Ausschuß aber nicht. Gerade dies hatten allerdings Grüne und SPD in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben.
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