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In Prag und Bratislava klärten sich in Bürgerbewegungen die Fronten

Prag (taz) — Mit stehenden Ovationen verabschiedeten die Delegierten der Gründungsversammlung der tschechischen Bürgerbewegung (OH) Bundesaußenminister Hans- Dietrich Genscher und Nato-Generalsekretär Manfred Wörner. Die beiden Politiker hatten der aus dem Bürgerforum Vaclav Havels hervorgegangenen „Liberalen Bewegung der Mitte“ eine Botschaft übermittelt, die sich in drei Worte zusammenfassen läßt: Freiheit, Demokratie, Europa. Daß die tatsächlichen Probleme der Tschechen und Slowaken den Bundesdeutschen nicht der Rede wert waren, das interessierte die Delegierten ebensowenig wie die Politik, die diese in und mit ihren Parteien vertreten. Es geht, so ein führender Repräsentant der OH, „um die Außenwirkung“. Die in der Wählergunst bei nur acht Prozent stehende Regierungspartei „müsse“ sich mit bekannten westeuropäischen Politikern schmücken. Personen und nicht Inhalte bestimmten daher den Verlauf der Gründungsversammlung ebenso wie die Berichterstattung über sie. Obwohl die Bewegung betont, daß sie als „Erbin der Tradition des Bürgerforums“ (OF) verschiedene politische Strömungen in sich vereint, mußte über das neue Parteiprogramm nicht diskutiert werden. Unstimmigkeiten gab es allein über die Erwähnung der „mährischen Frage“.

Im Unterschied zum „konservativen“ Flügel des Bürgerforums, der am vergangenen Wochenende gegründeten „Bürgerlich-demokratischen Partei“ von Finanzminister Vaclav Klaus, fordert die OH eine aktive Struktur- und Umweltpolitik, „inspirierend“ wirke das Beispiel der Bundesrepublik, die sich bereits in ihrer Verfassung als „sozialer Rechtsstaat“ bezeichne. Richtungweisend für die politische Linie der neuen Bewegung ist ihr Verständnis einer „demokratischen Bürgergesellschaft“: „Im Gegensatz zur Linken lehnen wir jedwede staatliche Machtmanipulation der Bevölkerung, im Gegensatz zur Rechten die technokratische Mechanik der Macht ab.“ Das wichtigste Stichwort der OH ist „Selbstverwaltung“: „Demokratie, das ist nicht nur das Parlament, das sind nicht nur politische Parteien und der Streit über die sogenannte große Politik. Wenn Demokratie Bestand haben will, muß sie eine feste Grundlage im Leben der Städte und Gemeinden haben.“

Parallel zur Entwicklung in Prag hat sich nun auch die führende politische Kraft in der Slowakei, die Bürgerbewegung Öffentlichkeit gegen Gewalt (VPN), am Samstag gespalten. Laut 'ctk‘ will ein Teil der VPN unter dem bisherigen Vorsitzenden Fedor Gal unter Beibehaltung des bisherigen Namens politisch weiterwirken. Die Oppositionsgruppe unter Vladimir Meciar wolle sich als eigenständige politische Gruppe organisieren. Beide Gruppen wollten sich das Vermögen der VPN teilen. Meciar war bis zum vergangenen Dienstag Ministerpräsident der Slowakei, wurde aber vom Präsidium des Parlaments in Bratislava nach längerer Regierungskrise abgesetzt und durch den christlichen Demokraten Jan Carnogursky ersetzt. Seine politischen Gegner werfen Meciar vor, er habe durch seinen Widerstand gegen die Absicht der Prager Bundesregierung, in beiden Landesteilen eine einheitliche Wirtschaftsreform durchzuführen, Streit in die slowakische Regierung gebracht und sie damit gespalten. Laut 'ctk‘ erörterten die Delegierten auch die Frage, in der Slowakei vorgezogene Parlamentsneuwahlen vor dem bisherigen Termin Ende Juni 1992 abzuhalten. Sabine Herre

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