: Rot-Schwarz macht Autofahren billig
■ Verkehrssenator kündigt Fahrpreiserhöhung bei BVB/G an: Einzelfahrt 3,50 Mark, Umweltticket 75 Mark/ AL: Autofahren wird noch attraktiver
Berlin. Autofahren lohnt wieder. Ab August — möglicherweise auch schon ab Juli — soll das Bahn- und Busfahren um einiges teurer werden: Ein Einzelfahrschein im Westteil werde 3,50 Mark (bisher 2,70 Mark), im Ostteil 2 Mark (bisher 20 Pfennig, ohne Umsteigen) kosten, und der Preis der (West-)Umweltkarte um 10 Mark auf 75 Mark, die (Ost-)Monatskarte um 10 Mark auf 40 Mark steigen. Dies bestätigte gestern Verkehrssenator Herwig Hasse. Grund der angekündigten Tariferhöhung sei das Defizit im öffentlichen Nahverkehr von etwa 1,5 Milliarden Mark, daß die BVB und BVG (BVB/G) für dieses Jahr erwarten. Die Vorlage sei mit dem CDU/SPD- Senat abgestimmt, das Abgeordnetenhaus müsse noch zustimmen, erklärte Reiner Plath, Sprecher in der Verkehrsverwaltung.
Der Senator kann sich relativ sicher sein, daß der rote Koalitionspartner die Vorlage unterstützt, obwohl gestern Ditmar Staffelt, Fraktionsvorsitzender der SPD, über Haases Vorgehen verärgert war (siehe Interview unten). Käthe Zillbach, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, zeigte sich der taz gegenüber wenig engagiert, den Status der BVB/G-Tarife zu halten. Nur die Umweltkarte solle lediglich 70 Mark kosten dürfen.
Auch wenn Einzelfahrten teurer werden, bleibe man im bundesweiten Vergleich günstig, außerdem seien relativ teure Einzeltickets ein Anreiz, die Umwelt- oder Monatskarte zu kaufen. Der niedrige Preis von 20 Pfennig für eine Fahrt im Ostteil verhindere ohnehin nicht, daß immer mehr ehemalige DDR-Bürger aufs Auto umsteigen. Da sei ein Tarif von 2 Mark auch nicht ausschlaggebend, meinte die Abgeordnete.
Gewisse Widersprüche in Haases Tarifvorstellungen waren gestern nicht mehr zu klären. Im Februar hatte der Verkehrssenator erklärt, daß es Tariferhöhungen im Westteil der Stadt nicht geben werde, nur die Osttarife sollten angeglichen werden. Damals war dem CDU-Mann das Millionen-Defizit der BVB/G bereits bekannt.
Die CDU hatte im Wahlkampf erklärt, daß »der Einheitstarif sowie die Netzkarte zu attraktiven Preisen erhalten bleiben«. Der verkehrspolitische Sprecher der CDU, Rainer B. Giesel, erklärte, daß man im Wahlkampf der Meinung gewesen sei, der Kostendeckungsgrad im öffentlichen Nahverkehr müsse verbessert werden, 5 Mark für eine Einzelfahrt aber nicht mehr attraktiv wären.
Nur die Fraktion Bündnis90/ Grüne protestierte gestern: Der Senat bleibe seiner Linie treu, das Autofahren attraktiver zu machen. Ihr Sprecher Michael Cramer: »Die Subventionen für den Autoverkehr sind doppelt so hoch wie für die BVG.« Er forderte, daß der Autofahrer zur Kasse gebeten werden müßte— nicht der Bahn- und Busbenutzer. Der jetzige Westtarif müsse eingefroren werden, das Busspurnetz solle ausgeweitet, die Takte verkürzt werden. Nach der Öffnung der Havelchaussee, dem geplanten Rückbau von Busspuren und der Aufhebung von Tempo-30-Zonen seien die Fahrpreiserhöhungen dieses Senats eine »wahrhaft autowürdigende Krönung«. Dirk Wildt
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