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Feuergefecht in Berg-Karabach

■ Spezialeinheiten des Sowjet-Innenministeriums sollen 27 Armenier getötet haben/ Geiselnahme?

Moskau (afp) — Bei einem Angriff von Sondertruppen des sowjetischen Innenministeriums auf zwei armenische Dörfer in Aserbaidschan sind nach armenischer Darstellung in der Nacht zum Dienstag 27 Armenier getötet worden. Die Zahl gab Ministerpräsident Wasgen Manukian nach telefonischen Angaben eines Redakteurs der Nachrichtenagentur 'Armenpress‘ am Mittwoch abend im armenischen Fernsehen bekannt. Manukian habe auch berichtet, daß die Sondereinheiten in Getatschen und Martunatschen, zwei Grenzdörfern der von Armenien bewohnten Enklave Berg-Karabach in Aserbaidschan, 50 Menschen als Geiseln mitnahmen. Im Gegenzug sei etwa ein Dutzend Soldaten gefangengenommen worden. Nach Aussage des Sprechers des armenischen Parlaments, Karanamukian Schagen, wurde der Angriff von den regulären Truppen des Innenministeriums und der Spezialeinheit OMON zugleich ausgeführt. Es seien Panzer und Artillerie eingesetzt worden. Das sowjetische Fernsehen bestätigte am Mittwoch abend, daß Einheiten der OMON, der „schnellen Eingreiftruppe“ des Innenministeriums der Union, in Kämpfe verwickelt waren, ohne jedoch den Ort zu nennen. „Armenische Freiwillige“ hätten 14 Menschen als Geiseln genommen, darunter einen Angehörigen der OMON, der bereits getötet worden sei.

Laut Manukian versuchte der armenische Parlamentspräsident Levon Ter-Petrossian vergeblich, mit Gorbatschow über die Kämpfe zu sprechen. Nach anderen Berichten sollen armenische Regierungsbehörden mit dem Berater Gorbatschows und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrats Primakow beraten haben. Dabei sei es um die Lieferung von Lebensmitteln und Medikamenten in das Kampfgebiet gegangen. Ob auch von einer politischen Lösung des jüngsten Konflikts die Rede war, ging aus den Berichten nicht hervor. Das Dorf Getatschen sei am Mittwoch noch von Panzerwagen eingekreist worden. Die Dorfbewohner hätten mit den sowjetischen Truppen verhandelt.

Die aserbaidschanische Nachrichtenagentur 'AZTAg‘ brachte natürlich eine andere Version der Ereignisse. Danach hätten aserbaidschanische Milizen „einen Vorposten des armenischen Terrorismus ausgehoben“ und dort Container mit einer nicht näher bezeichneten Flüssigkeit entdeckt. Damit hätten die Armenier das Trinkwasser verseuchen wollen.

Das Oberhaupt der armenischen Kirche, Katholikos Wasken I., veröffentlichte am Mittwoch eine Erklärung, in der er die jüngsten Gewaltakte als Versuch bezeichnete, „das armenische Volk in den umkämpften Gebieten auszurotten“. Armenien hat sich im Gegensatz zu Aserbaidschan an der Abstimmung über den Unionsvertrag nicht beteiligt und bislang, wiederum im Gegensatz zu den Asaris, keine Absicht erkennen lassen, der neuen Union beizutreten. Es steht daher unter starkem Druck der Zentrale.

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