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Ein Pyrrhussieg-betr.: "Noch ist das ein Siegauf dem Papier", (Die grünen Fundi-Frauen unterlagen auf dem Parteitag/ Realpolitikerin Elke Kiltz erhofft sich nun einen Neuanfang), taz vom 2.5.91

betr.: „Noch ist das ein Sieg auf dem Papier“, (Die grünen Fundi- Frauen unterlagen auf dem Parteitag/Realpolitikerin Elke Kiltz erhofft sich nun einen Neuanfang), taz vom 2.5.91

Ich kann damit leben, daß die taz die grünen Realos/as hofiert. Ich habe allerdings was gegen inhaltsleere und sexistische „Berichterstattung“. So erfahren die LeserInnen vor dem Grünen-Parteitag in Neumünster von Tina Stadlmayer „Grüne Frauen streiten um feministische Dogmen“ und hinterher von Helga Lukoschat „Die grünen Fundi-Frauen unterlagen“. LeserInnenbriefeschreiberin M.Schwan hat leider Recht — und das Vorgehen der Frauen-Frauen in der taz Methode: „Frauen zanken, Männer debattieren“ (taz vom 5.2.91). Politisch-inhaltliche Positionen und Differenzen haben Frauen einfach nicht beziehungsweise sind den LeserInnen nicht zuzumuten — schon gar nicht so eindeutige wie die „Grundsätze feministischer Politik in den Grünen“, die wir vor Wochen den grünen Delegierten als Antrag vorlegten. Inhaltliches ist auch für Helga Lukoschat in ihrem Vorspann und Interview mit der Grünen Elke Kiltz entbehrlich.

Zum Verständnis dessen, was hier als „Sieg“ gefeiert wird, ein paar Informationen. Vorab: Wir sind weder „grüne Fundi-Frauen“ noch machen wir „fundamentalistische Frauenpolitik“, fühlen wir uns doch — im Unterschied zu unseren Kontrahentinnen — aus gutem feministischem Grund in keiner der grünen (Männer-)Strömungen aufgehoben, sind uns als Feministinnen Strömung genug.

Der frauenpolitische Antrag von Beck-Oberdorf und anderen, in letzter Minute eingebracht, war ein Ergänzungsantrag zu den vorliegenden Strömungspapieren. Schon aus diesem Grund war er nicht gegen unsere feministische Grundsatzerklärung abstimmbar; ganz zu schweigen von Unterschieden in Qualität und Charakter und davon, daß der Ergänzungsantrag in seiner Mischung aus frauenpolitischen Allgemeinplätzen und konkretem Verweis auf die Post- DDR keine inhaltliche Differenz zu unserer Erklärung aufwies.

Formuliert haben wir diese in der Erwartung, daß keines der Grundsatzpapiere für den Parteitag feministische Politik überhaupt beziehungsweise angemessen thematisieren würde. So spielt Frauenpolitik in den Papieren von Aufbruch und Realos keine Rolle. In denen der Linken ist das Absätzchen zu feministischer Politik verbale Pflichtübung, inhaltlich folgenlos; nicht mal zum Essential Gewaltfreiheit fällt ihnen das Patriarchat, die Männergewalt gegen Frauen ein. Wie alle anderen wollten auch wir eine klare Richtungsentscheidung: für feministische Politik. Auch wir haben formuliert, was wir nicht wollen: den Wettlauf mit der SPD um Pragmatismus und Reformismus; eine „Geschlechterpolitik“ (weil dieser Begriff gleiche Betroffenheit von Männern suggeriert), die Beschwörung „weiblicher Vielfalt“ (weil diese gerade angesichts der dramatischen Verschlechterung der Lebensverhältnisse von Frauen in der Post-DDR die Realität verkennt) sowie eine „Politik des Unterschieds“ (weil die den patriarchalen Herrschaftszusammenhang ausblendet). Und wir wollten, daß der Parteitag eine eigenständige feministische Grundsatzerklärung beschließt, weil wir keine „ökologische Bürgerrechtspartei“ (Aufbruch/Realos) beziehungsweise „Partei des ökologischen Humanismus“ (Linkes Forum) wollen (beides beschlossen) und feministische Politik in den Grünen nicht als Anhängsel verstehen. Die Grünen haben in Neumünster mit großer Mehrheit folgende feministischen Grundsätze abgelehnt: den Anspruch, feministische Analysen und Perspektiven in allen Politikfeldern zu verankern, radikale Parteilichkeit für Frauen, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung und heterosexuelle Zwangsstrukturen zu überwinden, auf die Perspektive der uneingeschränkten Selbstbestimmung und Eigenständigkeit von Frauen zu orientieren. Nicht gewollt wurde die programmatische Aufforderung: eine gewaltfreie Gesellschaft auch als frei von Männergewalt gegen Frauen zu begreifen, in der Ökologiepolitik den Wachstums- und Ausbeutungswahn als Produkt einer Männergesellschaft zu analysieren, soziale Gerechtigkeit an die Aufhebung der geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung und der patriarchalen Ausbeutung der Dritten Welt zu binden.

So viel zum „Sieg“ von Elke Kiltz. Ich meine: „Gesiegt“ hat das Angepaßte über das Radikale, die Mäßigung über das Abenteuer, die Langeweile über das Wagnis, die Bewunderung für Macher über die konkrete Utopie. Ein Pyrrhussieg. Christiane Tillner,

BAG Frauenpolitik, Bad Honnef

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