piwik no script img

„Wir sind keine Bürgerwehr“

■ Verein will jetzt auch in Ostdeutschland „Lebenshilfe“ bei der Vorbeugung von Kriminalität geben

Dresden. Über vier Millionen Straftaten werden jährlich im gesamten Bundesgebiet angezeigt. Zwar gehts in der Ex-DDR noch nicht ganz so schlimm zu wie im „Wilden Westen“, aber die Tendenz ist beängstigend. Um dies zu erkennen, bedurfte es nicht erst der Ausschreitungen bei Fußballspielen. Im Grunde genügt ein Blick auf die „Raubkartei“: Alle zehn Sekunden wird, statistisch gesehen, ein Diebstahl verübt — und das Tag und Nacht. Doch die Polizei, ohnehin personalgeschwächt, kann nicht überall sein.

Seit 1984 gibt es eine „Initiative Schutz vor Kriminalität e.V.“ (ISVK), die sich Kriminalitätsvorbeugung durch Information, Aufklärung und Beratung zum Ziel gesetzt hat. Als eingetragener Verein, der (alt)bundesweit organisiert ist, will die 180-Mitglieder-Truppe nun auch im Osten Deutschlands Fuß fassen und den „Ossis“ ein Stück Lebenshilfe geben.

Sachsens Vorreiterrolle auf diesem Gebiet kommt nicht von ungefähr, nimmt doch der Freistaat mit insgesamt 87.057 Strafanzeigen 1990 die Spitzenposition in den neuen Bundesländern ein. Allein Raub und Erpressung nahmen hier um 221 Prozent gegenüber dem Vorjahr zu.

„Wir sind keine Bürgerwehr und maßen uns auch nicht an, die Arbeit der Kriminalpolizei zu übernehmen“, so der Regionalbeauftragte für Sachsen, Gerd Tiodko. „Vielmehr wollen wir den Bürgern bewußtmachen, wie sie sich und ihr Eigentum schützen können.“ Den Schwerpunkt sieht der Arnsdorfer Lehrer in Öffentlichkeitsarbeit an Info-Ständen. Ferner wirkt der ISVK bei Anhörungen und der Entwicklung neuer Methoden zur Bekämpfung von Rauschgift-, Umwelt- und Wirtschaftskriminalität mit. „Vieles im Bereich der Kriminalitätsvorbeugung ist nicht allein Aufgabe der Kripo“, ergänzt Heinz Sobierajski. „Diese Räume wollen wir ausfüllen, zumal ja auch die ABV in den Wohngebieten wegrationalisiert wurden.“ Jeder, der sich für einen Monatsbeitrag von 3.00 DM (Vereine 100 DM) daran beteiligen und sein Wissen auf dem Gebiet erweitern möchte, kann Mitglied werden.

Der jetzige Vorruheständler Sobierajski bringt eine mehr als 20jährige Erfahrung als Kriminalist in die Arbeit ein. Er sieht die Ursachen für die bislang nicht gekannte Eskalation der Gewalt hierzulande vor allem im Frust und in der wachsenden Unzufriedenheit der Leute gegenüber der derzeitigen Entwicklung. Dazu kommen Verrohung und Ausprägung brutaler Verhaltensmuster durch Film und Fernsehen sowie die Möglichkeit, unproblematisch an Schußwaffen zu gelangen. Das Ende der gefährlichen Entwicklung ist nicht in Sicht. Mike Schwarz (adn)

Kontaktadresse: Gerd Tiedke, Friedrich-Wolf-Str. 5, O-8143 Arnsdorf oder Karl-Heinz Sobierajski, Rottwerndorfer Str. 26, O-8026 Dresden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen