: Klassische Piano-Fiesta
■ Musikalisches Temperament der Labeques lockerte das E-Musik-Publikum
Das vorletzte Meisterkonzert dieser Saison am vergangenen Freitagabend im großen Glockensaal war sicher das lustvollste Ereignis der Spielzeit. Wieder einmal gastierten Katia und Marielle Labeque, derzeit das wohl bekannteste und beliebteste Klavierduo. Sie hatten ein wohlüberlegtes, zündendes Programm mitgebracht. Besonders die Werke von Ravel und spanischen Komponisten liegen ihnen im Blut (immerhin kommen die Labeques aus Ravels Heimat, dem Baskenland). Die beiden Pianistinnen spielten mit einer Leidenschaft, die in der sogenannten E-Musik selten ist und steigerten im Laufe des Abends noch ihr unbändiges Temperament. Das Publikum war zunächst sichtlich irritiert, lockerte sich aber und klatschte dann spontan nach jedem Satz.
Ravels „Rhapsodie espagnole“ ist entgegen der Programmheftinformation für zwei Klaviere komponiert und gleich anschließend instrumentiert worden. Daß der letzte Satz, eine furiose „feria“ nicht ganz so überzeugend wie die ersten drei herüberkam, lag weniger an der Aufführung. Die Klangfarbenvielfalt sprengt einfach die Möglichkeiten des Klaviers. Dieser Satz klingt in der Orchesterversion überzeugender. Einen reizvollen Kontrast bot nach der Pause Ravels „Meine Mutter Gans“. Die Labeques fühlten sich vortrefflich in die Farben und Stimmungen der Kindermärchenwelt ein. Zur „Fiesta“ wurden die drei andalusischen Tänze von Manuel Infante, einem Zeitgenossen Strawinskijs: Die Geschwister Labeque spielten sich in Ekstase. Da wurde mitgesummt, gegrunzt und gestöhnt; die Absätze von Katia stampften rhythmisch aufs Parkett. Man wurde so mitgerissen, daß man an Klaviertechnik überhaupt keinen Gedanken verschwenden mochte. Das Publikum ertrampelte sich noch zwei Zugaben, eine Salsa-Komposition aus der Karibik und eine herrlich jazzige Improvisation von John Mclaughlin, bestens bekannter Jazzer und Ehemann von Katia. Dies Superkonzert demonstrierte wieder mal bestens, wie dumm die Herumreiterei auf hie E-, da U-Musik ist, solange man Spaß hat.
Gunnar Cohrs
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