: Furiose Klanglandschaften
■ Blaufrontal und Bauer-Hiby-Blume-Mattos bei DACAPO
Zu einem kontrastreichen Doppelkonzert hatte DACAPO in die Weserterrassen geladen, und die überwältigende Mehrheit des Bremer Publikums hat das Konzert des Monats mal wieder verschlafen, nur knapp 40 BesucherInnen waren am Freitag abend gekommen.
Das Kölner Trio Blaufrontal — Roger Hanschel (sopranino, as), Rainer Linke (b) und Hans Lüdemann (p) — machte den Auftakt. Die drei Musiker, allesamt Mitglieder der heimatlichen JazzHaus Initiative, blicken inzwischen schon auf eine langjährige Zusammenarbeit zurück. Das ist ihrem Zusammenspiel anzumerken. Sie brachten äußerst kompakte und komplexe Kompositionen zu Gehör, in denen e-musikalische Momente in den zeitgenössischen Jazz einfließen. Dies führt bei Blaufrontal aber nicht zu akademischem Kammer-Jazz, sondern zu vielschichtigen und rhythmusbetonten Klangreisen. Dafür sorgt schon die energische Spielweise der drei Kölner, die sogar zwei Uraufführungen (“The Slur“ und „Terz“) im Programm hatten.
Ex-Mafioso Roger Hanschel spielt auf dem Altsax das ganze Register aus, bei ihm treffen schneidende Diskanttöne auf brötzige Bässe. Der Vorliebe für den Diskant fröhnt Hanschel vor allem auf dem Sopranino, dem er kristallklare Höhen entlockt — rasiermesserscharf. Dabei verbindet er virtuose Geschwindigkeit mit einem kraftvollen Ton. Rainer Linke spielt einen Baß, der ebenso funkig wie melodisch sein kann. Pianist Hans Lüdemann sorgt am deutlichsten für die e-musikalischen Momente, spröde Cluster standen neben exkursiven Linien, denen oft swingende oder romantisierende Schlenker angehängt waren. Ein begeisternder Auftritt!
Eine ganz andere Herangehensweise ließen Johannes Bauer (tb), Hans-Peter Hiby (reeds), Marcio Mattos (b) und Martin Blume (dr) hören. In einer fast einstündigen durchgehenden Improvisation schufen sie ein ständig changierendes Klanggewebe, mal lose und fast zerissen, mal mächtig zusammengknäuelt.
Johannes Bauer ist ein totales Energiebündel. Ständig in Bewegung, scheint ihn die Musik wie ein wilder Strom zu durchfließen. Mal läßt er sein Instrument schmetternde Elefantenstöße posaunen, mal Obertöne vibrieren, mal entringt er dem gestopften oder gedämpften Trichter wie gezähmt wirkende Töne. Ein Meister! Aufregend auch Marcio Mattos am (elektrisch abgenommenen) Kontrabaß. Er entlockte ihm Töne, die wie ein afrikanisches Daumenklavier klangen, streute schräge, zerrende Laute ein und zupfte oder strich auch ansonsten seltsame Klänge. Saxmann Hiby, der sich in der zweiten (Kurz-)Improvisation auch schon mal zwei Saxophone zwischen die Lippen presste, ließ seine Hörner kraftvoll tröten, zeigte aber ebenfalls, daß er nicht auf reines Powerplay festgelegt ist. Martin Blume trommelte zu alldem zurückhaltend, trotzdem präsent und differenziert sowieso. Ein Abend also, an dem die FreundInnen guter Musik unbestreitbar auf ihre Kosten gekommen sind.
Arnaud
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