Ich kann die Kritik nicht akzeptieren

Der vorstehende Beitrag von Karl Grosser ist nun weder überarbeitet noch gekürzt. Erstens fand ich es nicht erforderlich, zweitens schien es mir wegen des Inhaltes der Kritik von Karl Grosser nicht angemessen. Ich habe seine Kritik zur Kenntnis genommen. Akzeptieren kann ich sie nicht. Ich werde auch in Zukunft Briefe, die mir zur Veröffentlichung auf der Knastbriefseite geschickt werden, kürzen und sprachlich überarbeiten (redigieren).

Mir ist daran gelegen, und das betrachte ich als meine Aufgabe, so viele und so aussagekräftige Beiträge wie möglich auf der Knastbriefseite unterzubringen. Viele Einzelheiten, die dem einzelnen Briefschreiber wichtig erscheinen, wirken für mich, der ich eine Menge von Briefen mit gleichen Dringlichkeitsanspruch auf dem Tisch liegen habe, verzichtbar. Ich versuche, die Briefe auf ihre Kernaussage zu reduzieren, um Platz zu schaffen für anderes Wichtige. Sich auf das Wesentliche zu beschränken und es klar und knapp auszudrücken, ist nicht nur eine Frage der Übersicht, sondern auch eine der Übung und Erfahrung. Auch wenn das jetzt überheblich klingen mag: Ich habe im Gegensatz zu vielen Gefangenen diese Übung und Erfahrung durch jahrelange Arbeit als Redakteur. Ich schließe nicht aus, daß ich mich da gelegentlich falsch einschätze und manchem Briefschreiber auch mal Unrecht tue beziehungsweise das Wesentliche nicht ganz kapiert habe. Eine andere Praxis mit der Knastbriefseite ist aber nicht möglich, wenn ich nicht einfach die ersten besten zwei oder drei Briefe kriterienlos und unbesehen alle 14 Tage auf die Seite klatschen will. Das einzige, was ich machen kann, ist die Kriterien meiner Auswahl und Bearbeitung einigermaßen offenzulegen und so einer Kritik zugänglich zu machen; das habe ich in meinem Beitrag „Brief in den Knast“ von Anfang April versucht.

Im übrigen respektiere ich natürlich, wenn ein Gefangener mir schreibt, daß er keine Kürzungen oder Überarbeitungen zulassen will. Dann kann ich mir nur überlegen, ob ich den Brief in der Form, wie er mir zugeschickt wurde, auf der Seite vertretbar finde. Das Kürzen und Überarbeiten von Beiträgen ist übrigens auch bei AutorInnen von „draußen“ üblich und notwendig, und über die „Verstümmelung“ ihrer Artikel haben schon viele taz-AutorInnen geklagt, ob zu Recht oder zu Unrecht, darüber läßt sich streiten. Jan Harms