: Tür zu
■ Ein Kommentar zu Oliver Stones „The Doors“-Film
Val Kilmer gibt sich redliche Mühe, Morrison zu gleichen, und sieht ihm in der Tat sehr ähnlich. Aber klar: Mehr geht nicht. Er ist eine Doublette, er hat zwar das Äußere, aber nicht das Charisma des Originals. Er ist das lebende Opfer für Stones bereits in mehreren Vietnamfilmen vorgeführte Naivität — als ob der einfache Abklatsch einer Geschichte schon ausreicht, sie zu vergegenwärtigen —, und Morrison ist das tote. Diese Naivität könnte man übergehen, wenn sie sich nicht in typisch amerikanischer Manier mit einer brachialen und leider auch effizienten Verfügung über die Mittel koppelte. Dies im filmtechnischen, letztlich aber finanziellen Sinn des Worts.
Die filmtechnische Machart denunziert sogleich das angeblich volkserzieherische Anliegen Stones. Tod, Exzeß und Drogenelend zeigt er — wie schon Vietnam — im immergleichen, alles überhöhenden warmen Spätlicht des Sonnenuntergangs und spekulativen Teleperspektiven. Der schnelle, knallige Bildschnitt soll über die abgrundtiefen Ungereimtheiten, Risse, Blödheiten von Stones Geschichtsbild hinwegtäuschen. Nicht im eigenen Erbrochenen wird Morrison konsequenterweise am Ende aufgefunden, sondern — er ist in Paris gestorben — bei schräg einfallendem Licht in der Badewanne, drapiert wie Marat auf dem bekannten Gemälde. An der Wirklichkeit ist Stone nämlich gar nicht interessiert. Er strickt an der Legende im Dienste jener Industrie, die Morrison schon einmal kaputtgehen half.
Dabei ist der Film öd, wirklich langweilig. Das Kalkül geht nicht mal auf. Selbst die Musik der Doors, die um einiges intensiver war als heutiger Pop, vermag nicht, ihn über quälende zweieinhalb Stunden zu tragen. Und mit dem wirklichen Doors-Revival, wie es sich auf Platten der Inspiral Carpets und anderer Gruppen aus Manchester manifestiert, hat er nun gar nichts zu tun. Aber das macht alles nichts. Die Leute werden trotzdem reingehen.
The Doors gehört zu jener Sorte amerikanischer Filme, die man — als Liebhaber des amerikanischen Kinos und Hollywoods — nur hassen kann. Er ist einer jener Filme, die nicht nur einen Produktionsetat von fünfzig oder sechzig Millionen Dollar haben, sondern auch noch einen gleich hohen Werbeetat, einer jener Filme, die mit so vielen Kopien in die Kinos kommen, daß sie alles andere verdrängen. Die Filme kleiner Verleihe finden darum keine Säle mehr. Der Deutschland-Start von Jane Campions An Angel at my table etwa muß auf mehrere Wochen verteilt werden, weil keine Kapazitäten zur Verfügung stehen.
Die Medien setzen noch eins drauf. Sie erweisen sich als die kopflosen Parteigänger der Industrie. Als erstes der 'Spiegel‘, in dem Wochen vor dem Start ein Artikel über die Doors erscheint, der zwar offensichtlich in Unkenntnis des Films geschrieben wurde, aber schon mal Stimmung macht. Die anderen Medien klappern wie immer hinterher. Die Kritiker des 'Tip‘ und anderer Stadtmagazine, des 'Musik-Express‘ und des 'Spex‘ mögen zwar Bedenken gegen den Film haben — die Chefs als windige Opportunisten des Markts nehmen Jim Morrison trotzdem aufs Cover.
Der Film wird laufen, unabhängig von seiner Qualität, darauf können wir uns verlassen, und die Medien unterstützen in ihm einen Trend, dessen letzte Folge unmittelbar bevorsteht: Bald laufen nur noch solche Filme. Mit den Multiplex-Kinokomplexen, die nun überall vor den Toren der Städte entstehen, werden die Major Companies bald nicht mehr nur die Produktion und Distribution, sondern auch noch die Abspielstätten in der Hand haben. In Belgien läßt sich der Effekt schon studieren. Die Multiplexe in den Vorstädten machen Gewinn, in Brüssel gehen die Kinos ein.
In großen Städten wie Berlin gab es bis vor kurzem noch Säle, in die man sich vor den Machenschaften der Industrie flüchten konnte, Off- Off-Kinos wie das Sputnik, die ein engagiertes und einfallsreiches Programm machen. Deren Förderungswürdigkeit ist von den zuständigen Gremien inzwischen erkannt. Gefördert werden sie mit subventionierten Kopien von Filmen der Major Companies. Thierry Chervel
Oliver Stone: The Doors , mit Val Kilmer, Meg Ryan, Kathleen Quinlan und Billy Idol, USA 1991, 135 min.
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