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„Ihr Europäer habt Geld, aber kein Bewußtsein“

■ Indianer-Delegation wirbt für die Rückgabe des Amazonas in ihre Hände / Gegen Landkauf von Ökoorganisationen

Die Indianer Alvaro Tukano, Gabriel Muyuy und Valentin Muiba stammen aus Bolivien und Brasilien. Sie gehören der Organisation indianischer Völker im Amazonasgebiet an und reisen seit Ende April durch Deutschland, Österreich und die Niederlande, um Mitglieder für ein internationales „Klimabündnis“ (vgl. Kasten) zu werben. Am Dienstag waren sie in Bremen.

taz: Mit welchem Ziel sind Sie nach Europa gekommen?

Gabriel Muyuy: Die Hoffnung, die wir haben, ist, die europäische Mentalität zu verändern. Die Amazonas-Region wird von großen Farmen, von Bergwerken und der Holzindustrie trockengelegt. Die Rechte der indianischen Bevölkerung sind sehr stark bedroht.

hier den Mann

mit Schnäuzer

Uns hilft,...

Wir brauchen moralische und materielle Solidarität, um unser Land zu verteidigen. Wir brauchen definitive Besitztitel und eine Entwicklung, die mit unserer eigenen Kultur zusammenpaßt.

Wie können wir dieses Ziel hier in Deutschland unterstützen?

Gabriel Muyuy: Erstmal kein Tropenholz mehr importieren und nichts kaufen, für dessen Produktion der Regenwald trockengelegt wird. Außerdem leben sehr viele von uns im Elend. Es fehlt an Schulen, Gesundheitsversorgung und wir werden ständig vom Militär bedroht, das immer auch mit den ökonomischen Interessen verbündet ist.

In der Amazonasregion gibt es hunderte von indianischen Völkern. Wir sind die einzigen, die wirklich ein Interesse an der Verteidigung der ökologischen Grundlagen unseres Lebens haben. Deshalb bitten wir die europäischen Völker um Unterstützung, damit wir uns Schiffe und andere Kommunikationsmittel kaufen können, um unser Land ständig zu überwachen und vor Zerstörung zu schützen. Wir haben keine Mittel, aber wir haben ein starkes Bewußtsein; und die Europäer haben kein Bewußtsein, aber sehr viele Mittel.

Was würde das hier für uns in Bremen bedeuten?

Alvaro Tukano: Man muß Schritt für Schritt vorgehen. Zuerst müssen wir hier ein neues Bewußtsein schaffen. Hier in Bremen scheint es bisher nicht so viel Bewußtsein zu geben. Das ist schon viel Arbeit, aber sie kostet nicht viel Geld.

Dann denken wir, daß die Deutschen Einfluß auf die Politik der internationalen Wirtschaftsinvestitionen nehmen müssen — auf die Weltbank und die großen Konzerne. Zusätzlich brauchen wir auch noch eine ganz einfache ökonomische Unterstützung. Seit 500 Jahren haben wir kein Geld, heute leben wir in der Armut der Selbstversorgung. Wir wünschen uns eine gleichberechtigte Zusammenarbeit. Wir haben kein Geld, das wir nach Europa bringen können, aber wir haben Rohstoffe für künftige Generationen, wir haben menschliche Werte, von denen Europa lernen kann.

Hier in Europa gibt es schon kleine Gruppen, die nicht mehr schlafen, aber die große Mehrheit und die große polit-ökonomische Struktur ist noch nicht aufgewacht, und das macht uns Sorgen. Das bedroht nicht nur Europa, sondern die ganze Welt.

hier die Baumrinde

...wenn Europäer sich ein Bild von Amazonien machen...

Hier in Deutschland gibt es Umweltorganisationen, die Land in Amazonien kaufen, um es dann unter Naturschutz zu stellen. Wie finden Sie das?

Alvaro Tukano: Das ist absurd und ungerecht. Man verkauft ja die Menschen mit, die dort leben. Das ist ein Schritt um 500 Jahre zurück.

Valentin Muiba: Wir werden in jeder Beziehung von Invasionen überzogen. In meinem Land gibt es ein konkretes Beispiel: Eine solche Organisation hat ein Gebiet gekauft und unter Naturschutz gestellt. Aber trotzdem verteilt der Staat dort jetzt Konzessionen zum Holzschlag. Theoretisch heißt das Naturschutz, aber die Praxis sieht anders aus.

Im vergangenen Jahr haben wir einen Protestmarsch organisiert,

um dieses Gebiet zurückzugewinnen. Denn dort leben ja nicht nur Bäume, Kaimane und Fische, sondern auch unsere Menschen.

Gilt Ihre Ablehnung für alle diese Initiativen?

Gabriel Muyuy: Nein, es gibt schon einen Unterschied. Wer Grundstücke in den Städten kauft, um sie den Indianern zu überlassen, der hilft uns. Aber das Land außerhalb der Städte kann man gar nicht kaufen. Das gehört uns sowieso, wir haben immer dort gelebt. Wie sollte es also in Europa gekauft werden können? Und selbst wenn es möglich wäre, hätte niemand genug Geld, um die tausenden von Hektar in Amazonien zu bezahlen.

Damit Ihr das in Europa besser begreift, ist es gut, wenn Ihr Euch in Amazonien selber einen Eindruck macht. Wir brauchen solche Besuche, wir laden alle ein, um unsere Situation kennenzulernen. Nur so können wir gemeinsame Sache machen.

Welche Art der Entwicklung wünschen Sie sich selber in Amazonien?

Alvaro Tukano: Wir denken, daß die Entwicklung der sogenannten entwickelten Länder falsch ist. Die Entwicklung muß ganz unten anfangen. Erstmal müssen die Menschen selber überlegen können, was sie kurzfristig und langfristig wollen. Wir brauchen keine fertigen Rezepte. Am wichtigsten ist jetzt die Sicherung des gesamten Gebietes, in dem wir leben. Dann können wir uns wieder organisieren und zusammen überlegen, was wir machen.

Mann mit

Streifenpulli

...und Bewußtsein entwickeln"

Unser Land ist ja sehr reich — in Flora, Fauna... Und wir können durchaus auch Rohstoffe abgeben — aber nur auf einer gleichberechtigten Grundlage.

Fragen und Übersetzung:

Dirk Asendorpf/Fotos:J.O.

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