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Der arabische Wirtschaftsboykott gegen Israel weicht auf

Kuwait will ausländischen Handelspartnern nicht länger Geschäfte mit Israel untersagen/ Auf vielen Wegen wird der Boykott schon jetzt umgangen  ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin

Das kriegszerstörte Kuwait will westlichen Unternehmen, die sich um Staatsaufträge bewerben, nicht länger Geschäfte mit Israel verbieten. Das Emirat will außerdem die anderen arabischen Staaten auffordern, gleichermaßen Milde walten zu lassen. Bisher haben arabische Länder die Vergabe von Staatsaufträgen an ausländische Firmen davon abhängig gemacht, daß die Firmen sich schriftlich verpflichteten, keine Geschäfte mit Israel zu machen.

Die Arabische Liga lehnt zwar eine solche Entwicklung nach wie vor ab. In Jerusalem wird dennoch angenommen, daß die Golfstaaten den Israel-Boykott künftig liberaler handhaben werden, um den USA entgegenzukommen. Der amerikanische Außenminister James Baker hatte bereits zu Beginn seiner Mittelost-Initiative im März verlangt, daß die arabischen Staaten ihren guten Willen unter Beweis stellen und den antiisraelischen Wirtschaftsboykott beenden.

Saudi-Arabien und Kuwait haben jetzt Washington und Jerusalem wissen lassen, daß der „Zweitboykott“ eingestellt werden soll, nach dem arabische Firmen keine Geschäfte mit Ausländern machen dürfen, welche mit Israel Handel treiben. Die neuen Erleichterungen sollen vor allem amerikanischen und europäischen Firmen entgegenkommen, die sich am Wiederaufbau Kuwaits beteiligen wollen. Auf der kuwaitischen Boykottliste stehen gegenwärtig 4.000 Firmen aus der ganzen Welt, die Geschäfte mit Israel abwickeln und deshalb keine kuwaitischen Aufträge bekamen.

Der Boykott wird allerdings auch heute schon unterschiedlich hart gehandhabt. So hat das Boykott-Büro der Arabischen Liga in Damaskus bekanntgegeben, daß die seit 20 Jahren auf der schwarzen Liste stehende Firma Coca Cola nun genügend „koscher“ sei, um als Handelspartner für arabische Staaten in Frage zu kommen. Gleichzeitig wurden allerdings 104 Firmen des britischen Medienzars Robert Maxwell, die sich zum Teil in Israel befinden, auf die Boykottliste gesetzt. Im Fall Coca Cola war bekannt, daß einige arabische Länder bereits seit 1989 den Boykott „inoffiziell“ eingestellt haben. So haben Ägypten und einige Golfstaaten seit einigen Jahren Coca-Cola- Abfüllwerke.

Anders als die deutsche Bundesregierung, hat die US-amerikanische Regierung 1976 den US-Firmen verboten, sich dem arabischen Boykott zu unterwerfen. Israels Außenminister David Levy will am kommenden Dienstag bei Gesprächen mit den EG-Außenministern in Brüssel die westeuropäischen Staaten auffordern, den Firmen ihrer Länder die Unterwerfung unter den arabischen Boykott zu verbieten. Die israelische Forderung ist vor allem Kritik an der Bundesrepublik und England, die — ebenso wie Japan — noch keine Boykottverbote dieser Art in ihre Gesetzbücher aufgenommen haben.

Allerdings ist es Israel in den vergangenen Jahren in vielen Fällen gelungen, den „direkten“ Boykott zu brechen und in arabischen Ländern Geschäfte für eine Milliarde Dollar jährlich zu tätigen. Das hat Professor Gad Gilbar von der Universität Tel Aviv herausgefunden. Trotz des Boykotts beliefert demnach Israel die Maghreb-Länder, die Golfstaaten und den Irak — und selbstverständlich die arabischen Nachbarländer inklusive Syrien, wo sich die Boykottbüros der Arabischen Liga befinden. Die Politik der „offenen Brücken“, die Mosche Dayan nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 eingeführt hatte, ermöglichte fast freie Handelsbeziehungen mit Jordanien. Das Land wurde so zur Schleuse für Waren in die anderen arabischen Staaten. Der Bürgerkrieg im Libanon und die israelische Intervention dort seit 1975, die Errichtung einer israelischen Sicherheitszone im Süden Libanons und die permanente Anwesenheit israelischer Streitkräfte im Nachbarstaat haben den Güteraustausch weiter gefördert. In vieler Hinsicht hat der arabische Markt den lukrativen iranischen ersetzt, der Israel mit dem Fall des persischen Schahs verlorengegangen war.

Der Handel am Boykott vorbei ist relativ einfach. Palästinensische Firmen am Westufer bekamen von den Handelskammern in Israel und Jordanien die notwendigen Dokumente für die Ausfuhr von Gütern aus den besetzten Gebieten. Die aus Israel stammenden Waren waren natürlich nicht als solche gekennzeichnet: Das Herkunftsland blieb in solchen Fällen unklar und ungenannt. Auf diese simple Weise gelangten israelische Waren auf den jordanischen, irakischen, syrischen und saudiarabischen Markt.

Eine andere Route führt über europäische Mittelmeerländer, wie Griechenland und Spanien, wo getarnte Firmen die Weiterleitung der Güter aus Israel in arabische Staaten erledigen. Der Handel mit Ägypten allerdings scheint auf den vertragsmäßig festgelegten Tausch von ägyptischem Rohöl gegen israelische Ölprodukte für 55 Millionen Dollar jährlich beschränkt zu sein.

So kaufte beispielsweise Saudi- Arabien von Israel Elektronik im Wert von 40 Millionen Dollar. Eingekauft wurden die Produkte als „amerikanisch“, obwohl sie israelische elektronische Elemente enthielten, mit denen die amerikanische Kriegsindustrie beliefert wird. Und Professor Gilbar nennt als Beispiel den israelischen Schokoladenmonopolisten „Elite“, der seine Produkte über die besetzten Gebiete an die arabischen Staaten lieferte, als ob es sich um palästinensische Ware handelte. Die Vermittler verdienten gut an derartigen Geschäften.

In den meisten Fällen sind israelische ManagerInnen nicht bereit, über dieses Thema zu sprechen, geben jedoch zu, daß die Waren ihrer Firmen auf arabischen Märkten auftauchen. Zu den begehrten israelischen Produkten gehören moderne Bewässerungsanlagen (Ausrüstung), landwirtschaftliche Maschinen und Produkte, Industrieprodukte wie Textilien, Autobestandteile, elektronische Ausrüstung, Medikamente, Chemikalien, verschiedene Güter für den Hausgebrauch.

Der arabische Boykott aus den fünfziger Jahren hat also nur noch eine beschränkte Wirkung. Israels große Handelspartner in Amerika und Europa haben keine wirklichen Schwierigkeiten mit dem Boykott und betrachten ihn höchstens als lästig.

Auch Länder, die sich ursprünglich an den Boykott hielten und sich den Bestimmungen beugten, haben in der letzten Zeit weniger Rücksicht auf die arabischen Boykottwächter genommen und sind, wie die japanischen Autofirmen, mit Israel im Geschäft. Trotzdem trägt der arabische Boykott immer noch zur politischen und wirtschaftlichen Isolation Israels bei und beschränkt seine Handelsfreiheit. Für Israel ist die Integration in den arabischen Wirtschaftsraum auf Dauer lebensnotwendig, um die absolute Abhängigkeit von anderen Kontinenten abzuschwächen.

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