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„Du gehst nach Hertha?“ Ehre den allerletzten Fans

■ 7.000 Berliner interessierten sich noch für den Bundesliga-Verein der Stadt Sie sahen zwei Tore, einen Punkt und einen schmucken, neuen Torwart

Charlottenburg (taz) — „Wie, du gehst nach Hertha?“ wird man heutzutage ungläubig gefragt. Dem unweigerlich folgenden „Wat willste'n da?“ kann man noch durch offensives Augenfunkeln entgehen, aber die hämische Schlußbemerkung „Wenigstens siehste viele Tore“ läßt sich einfach nicht vermeiden.

Nun kamen also die Dortmunder zum Toreschießen nach Berlin. Die sahen in ihren neongelb-schwarzen Trikots zwar eher aus wie eine schwer abgehalfterte Aerobic- Truppe, spielten aber ganz eindeutig Fußball: Die 2. Minute hatte eben erst begonnen, als der 19jährige Amateur und Junghaus-Ersatz Marco Sejna schon dumm in seinem Tor stand: Einen Schuß von Zorc hatte er exakt auf den Dortmunder abgeklatscht, der nutzte die Konfusion der Herthaner eiskalt aus. Nun standen überall im Mittelfeld die Hertha-Klumpen herum, die sich den Ball immer mal wieder zuspielten, ohne allerdings auch nur einen Meter zu gewinnen. In der 31. Minute war es dann wieder soweit: Durch einen Abwehrfehler eigentlich aller vor dem Tor herumdämelnden Herthaner erzielte Breitzke das 2:0.

Im Westen werden die Ruhrpott- Mannschaften von den Fans, wenn es denn gar nicht läuft, mit einem fröhlichen „Wir ham Arbeit und ihr nicht“ geschmäht, die Hertha-Anhänger hingegen sangen jetzt das Lied von dem Tag, der noch nie so wunderschön und so weiter... Sollten sich Menschen mit PSI-Fähigkeiten unter ihnen befunden haben?

Die 43. Minute brachte die große Überraschung: Die Borussen, leichtsinnig und überheblich geworden, ließen den eingewechselten Sven Kretschmer zum Schuß kommen, und der traf sogar. Zwei Minuten später war es dann Theo Gries, der nach einem wunderbaren Torwartfehler gar nicht anders konnte, als den Ausgleich zu erzielen.

In der zweiten Halbzeit schien es dann doch noch das Spiel des Marco Sejna zu werden: Er hielt einfach alles und bekam nach dem Spiel von seinem Trainer ein ausdrückliches Sonderlob. Das Publikum stellte derweil eine Reihe von Forderungen auf: „Neururer raus! Roder raus! Schiedsrichter raus!“, jedoch nur die nach „Jürgen rein!“ wurde erfüllt — aber auch Wegmann konnte das Spiel für die Borussia nicht mehr entscheidend verändern. Hochklassig verlief die Begegnung ehrlich nicht — von wegen „Wenn man eine Lücke erspäht, muß man durchpreschen“ (John F. Kennedy). Blöd herumstehen und dumm gucken war im Olympiastadion angesagt.

Am Ende sprach Neururer von „zwei Schlafminuten der Borussia, die der Hertha den kämpferisch verdienten Punkt geschenkt haben“, und dieser wunderschöne, ganz echte Punkt ist für die Berliner wichtig: Die ewige Bundesliga-Absteiger-Looser-Liste führt zwar nach wie vor Tasmania unangefochten mit 8:60 Punkten an, und auch die WSV- Pleite 1975 mit 12:56 wird man so nicht wiederholen können. Aber im Kampf um Platz drei wird's eng: Sieben Punkte müssen noch her, wenn man nicht zu den Oberdusseln der Liga gehören will. Elke Wittich

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