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Dort, wo die Elefanten trompeten

■ „Die finstere Wand des Urwaldes, erfüllt vom Kreischen der Papageien“ — Das Afrika-Bild und die Ex-DDR in der spannenden Glanzausgabe des Herrn Peter Hornung/ Das Stasi-Syndrom

Cottbus. DDR — das war Stasi. Nicht mehr und nichts anderes. Jedenfalls schreibt das Herr Peter Hornung. In einem prächtigen Bildband: Afrika — von Kairo bis Kapstadt (ADAC-Verlag, München 1990).

Das Buch habe ich mit Interesse zur Hand genommen; es glänzt so schön und ist lobend begleitet von Genscher und Wischnewski. Ein Gesamturteil steht mir nicht zu; mich interessierte zunächst das Land, in dem ich drei Jahre gearbeitet habe: Guinea Bissau. Das charakterisierende Großfoto kannte ich schon, es stammt aus einem inzwischen recht angejahrten Bildband von Michael Renaudeau. Hier glänzt es wie neu und wie alle anderen älteren Bilder. Die Karte ist nicht auf dem neuesten Stand, so stammt die Bezeichnung einer Regionshauptstadt noch aus der Kolonialzeit. Die statistischen Angaben sind solide und aktuell.

Nun aber das Landesporträt, für das Peter Hornung verantwortlich zeichnet.

Sein Bild von Afrika entspricht dem, was die Leute sich halt so drunter vorstellen. Er läßt Palmen wachsen, wo eigentlich Mangobäume stehen und erlebt „die finstere Wand des Urwaldes, erfüllt vom Kreischen der Papageien“, wo wir seinerzeit eine lockere Savannenlandschaft sahen. Aber das sind Kleinigkeiten, zumal der Text sonst die Stimmung und Atmosphäre des Landes fühlen läßt. — Leider aber bedient Hornung nicht nur Afrika-Klischees, sondern auch die von der DDR.

Und DDR — das war eben Stasi.

DDR-Bürger in Afrika — das waren Stasi-Agenten. DDR-Entwicklungshilfe — war Stasi-Ausbildung. Etwas anderes kennt und erwähnt Hornung nicht.

Zum Beweis läßt er in Bissau einen „wohlbeleibten, verschmitzten Don Felipe“ als Besitzer einer „Lisboa-Bar“ auftreten, der seinen Ausschank früher „Lenin-Bar“ nennen mußte. Weder die eine noch die andere, noch auch Don Felipe haben wir während unseres dreijährigen Aufenthaltes kenngelernt. Ich neige zur Annahme, daß Don Felipe hier die Rolle des früher so beliebten alten Mütterchens übernimmt. Aber das sei dahingestellt und ist ja auch gleichgültig. Entscheidend ist, was Hornung ihn unkommentiert sagen läßt. In dessen Bar kommen nämlich nicht mehr „die Geheimpolizisten aus der DDR, die 1975 nach dem Abzug meiner portugiesischen Landsleute die Spitzel der neuen Revolutionsregierung ausbildeten.“ (Für die alte Regierung, Gouverneur war ein gewisser General Spinola, übernahm das die berüchtigte Geheimpolizei PIDE des faschistischen Portugal — d.R.). Möglich, daß das die Staatssicherheit tat. Mich empört denn auch nur die Einseitigkeit der Darstellung. Ich habe von 1984 bis 1987 dort gearbeitet, und ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß unsere Tätigkeit anderer Art war. Fünf Kollegen im Bildungswesen entwickelten gemeinsam mit den afrikanischen Partnern Lehrpläne und Lehrbücher für die Vierklassenschule, eine kleine Gruppe FDJler bildete Maurer, Zimmerleute und Schlosser aus; Botschafter, Sekretär und Verwalter, ein Lektor für die PIGC, dazu die Ehepartner und Kinder — das wars. Andere DDR-Bürger gab es dort nicht, es sei denn, sie hätten sich drei Jahre in Don Felipes Bar verstecktgehalten. Sie alle arbeiteten dort unter schwierigen Bedingungen und — nebenbei bemerkt — für einen Bruchteil dessen, was westliche Entwicklungshelfer, sofern sie im staatlichen Auftrag kamen, für die gleiche Tätigkeit erhielten. (Guinea Bissau zeigte allerdings kein „politisches Wohlverhalten“ und wurde dementsprechend vom Westen behandelt.) Unsere Arbeit wurde von den afrikanischen Partnern gewürdigt und auch von den Vertretern westlicher Länder aus nichtstaatlichen Organisationen, mit denen es eine gute Zusammenarbeit gegeben hatte. Für Hornung aber waren wir alle Stasi-Leute.

Diese Darstellung von Guinea Bissau ist kein Ausrutscher von ihm. Für das Nachbarland Guinea stellt er die Entwicklungshilfe der DDR, die ähnlich strukturiert war, so dar: „Die sächselnden Agenten des Staatssicherheitsdienstes in ihren zerknitterten Pfeffer-und-Salz-Anzügen ... waren gekommen, um die Geheimpolizei des Diktators mit allen Winkelzügen der totalen Bespitzelung und Terrorisierung der Bevölkerung vertraut zu machen.“ Und auch im 'France‘ „tafelten ... Offiziere des Ostberliner Staatsicherheitsdienstes“, nahmen sich aber „beinahe ärmlich“ aus. Aber Herr Hornung, das und der sächsische Dialekt sind doch nur raffinierte Tarnung der Spitzel aus Vorpommern! Andere DDR-Bürger hat Hornung nicht bemerkt. Allerdings konstatiert er erfreut eine Verbesserung der Lage. „Jetzt sind es französische Fallschirmjäger, die tagsüber die Rekruten nach allen Regeln der Kunst durch die Sümpfe jagen.“ „Da zechen französische Paras...“ — Mit Freudentränen in den Augen wird das der Leser in Indochina oder Algerien zur Kenntnis nehmen.

P.S.: Natürlich geht es mir nicht um eine Verteidigung der Staatssicherheit, sondern darum, daß die verzerrende Darstellung Hornungs die ehrliche Arbeit Hunderter Entwicklungshelfer aus der DDR infam und pauschal diskriminiert. In den Angaben zu den Autoren der Länderporträts kann man lesen, bei welcher Presse Hornung sein Handwerk gelernt hat. Raten Sie mal... Richtig. Arno Pielenz

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