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Berlin schiebt wieder Kurden ab

■ Flüchtlingsgruppen protestieren beim Innensenator gegen Ausweisung von verfolgten Kurden in die Türkei/ Am Samstag soll ein ausgestiegener PKK-Mann trotz Morddrohungen zurückgeflogen werden

Berlin. Berlin ist anderen Bundesländern mal wieder um einiges voraus. Im Unterschied zu Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen, die Abschiebungen von Kurden aus humanitären Gründen für mindestens sechs Monate ausgesetzt haben, wurden bereits am 4. und 11. Mai die Kurden Haci Ekigi und Bayram Demir zwangsweise in die Türkei zurückgeschickt. Nach Informationen des Arbeitskreises »Asyl in der Kirche« soll am kommenden Sonnabend ein weiterer Kurde in die Türkei abgeschoben werden.

Der Betroffene (Name ist der Red. bekannt) befindet sich zur Zeit in Abschiebehaft. Nach Angaben seines Rechtsanwalts Dirk Siegfried wäre sein Klient in der Türkei extrem bedroht. Der junge Mann war in der Türkei Mitglied der militanten kurdischen Organisation PKK gewesen, hatte sich aber nach Auseinandersetzungen über die Gewaltfrage von ihr abgesetzt. 1979 reiste er das erste Mal in die Bundesrepublik ein, sein Antrag auf politisches Asyl wurde aber abgelehnt. 1984 wurde er in die Türkei abgeschoben, wo ihn ein Haftbefehl erwartete.

Er floh zurück nach Deutschland und stellte in Berlin einen erneuten Asylantrag, der im Januar abgelehnt wurde. Grund: keine neuen Verfolgungsgründe. Bei einer Rückkehr in die Türkei würde ihm, sagt Siegfried, Gefahr von zwei Seiten drohen. Die türkischen Behörden würden ihn aufgrund der früheren PKK- Mitgliedschaft verhaften, von der Organisation selbst drohen Mordanschläge, entsprechende Drohungen habe er bereits erhalten.

Die Abschiebung müsse verhindert werden, schrieb der Arbeitskreis jetzt Innensenator Heckelmann und wies auf eine Resolution des Abgeordnetenhauses vom 11. April hin. Damals erklärten die Politiker wörtlich: »Wir erachten es als Selbstverständlichkeit, daß in Deutschland lebende Kurden nicht in das Krisengebiet zurückgeschickt werden.« Zwar habe das Parlament dabei an den Irak gedacht, aber nach Auffassung des Arbeitskreises muß »unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen auch die Türkei als Krisengebiet für Kurden« eingestuft werden.

Auch die Internationale Liga für Menschenrechte hat gegen die drohende Abschiebung protestiert. Die Organisation will im Petitionsausschuß des Abgeordnetenhauses einen Antrag einbringen, demzufolge die Abschiebungen nach Paragraph 54 des Ausländergesetzes für sechs Monate ausgesetzt werden.

Die Senatsinnenverwaltung, die für heute eine Erklärung angekündigt hatte, will erst in den nächsten Tagen zu dem Problem — Abschiebungen in die Türkei — Stellung nehmen. Die umstrittene Abschiebung von Kurden wird am kommenden Mittwoch im Ausländerausschuß des Abgeordnetenhauses behandelt werden. Nadja Encke

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