: Ministerielles Schongebiet für getarnte Demokraten
■ Neue Kader, aus der alten Parteibürokratie rekrutiert, überwintern in Ministerien und hoffen auf bessere Zeiten im Landtag von Sachsen-Anhalt
Magdeburg (taz). Die Ministerien von Sachsen-Anhalt sind durchsetzt von alten Stasi- und SED-Seilschaften. Sie tarnen sich in den Ressorts der CDU/FDP-Landesregierung als alte Demokraten, igeln sich ein und warten auf bessere Zeiten. Das beklagte kürzlich der CDU-Fraktionschef Joachim Auer öffentlich. Konkret nannte Auer das Landwirtschaftsministerium von Otto Mintus (CDU), das Innenressort von Wolfgang Braun (CDU) sowie das Kultusministerium Werner Sobetzkos (CDU) und das Umweltministerium von Wolfgang Pauls (FDP).
Zumindest Landwirtschaftsminister Mintus müßte wohl ganz genau gewußt haben, wer von seinen Mitarbeitern Dreck am Stecken hat. Einen Tag nach der öffentlichen Auer-Beschwerde feuerte er drei leitende Mitarbeiter seines Ministeriums. Mintus ist jedoch nicht der einzige Ressortleiter, der — bewußt oder unbewußt — zuließ, daß sich alte SED- Kader und Stasi-Typen sich einen Tarnanstrich als frisch gewendete und überzeugte Demokraten verpassen konnten. Für ihre Tätigkeit als Jugendreferentin im Sozialressort war zum Beispiel Ute Wanzek bestens vorgebildet. Sie saß früher in der FDJ-Bezirksleitung und für die SED-Jugendorganisation im Rat des Bezirks Magdeburg. „Es geht nicht an, daß Leute, die früher für SED und FDJ im Rat des Bezirkes saßen, jetzt führende Positionen in den Ministerien der Landesregierung einnehmen“, klagte CDU-Fraktionschef Auer.
Es geht doch an. Mit Eberhard Wilhelm und Henning Steffens hat sich zum Beispiel das Wirtschaftsressort von Minister Horst Rehberger (FDP) gleich zwei ehemalige inoffizielle Mitarbeiter der Stasi eingehandelt. Und nicht gerade an nachgeordneter Stelle. Die beiden sind als Referatsleiter für Privatisierung und Treuhand sowie für Tourismus, Mittelstand und Handel tätig.
Und auch Hans-Jürgen Tressnow kann in seinem neuen Job im Bildungsministerium von Sachsen-Anhalt auf langjährige Berufserfahrung zurückgreifen. Er war früher stellvertretender Bezirksschulrat, hat kritische Lehrer geschaßt, unliebsamen SchülerInnen die berufliche Karriere verbaut.
„Ein Unding“, stöhnt ein Mitglied der Personalkommission des Landes Sachsen-Anhalt, die diese Fälle jetzt aufgedeckt hat. Offenbar versucht doch das eine oder andere Ministerium, seinen Personalbedarf aus den alten Beständen der verflossenen Parteibürokratie zu decken. Und zwar an der Personalkommission vorbei.
Die arbeite nämlich viel zu langsam, kritisierte zum Beispiel Landwirtschaftsminister Mintus. Kein Wunder, so das Kommissionsmitglied, gerade das Landwirtschaftsministerium komme mit den Unterlagen über neu eingestellte MitarbeiterInnen mehr als zögerlich herüber. Ähnlich sehe es aber auch bei anderen Ressorts der CDU/FDP-Landesregierung in Magdeburg aus. „Und wie soll man jemanden überprüfen, von dem man noch gar nicht weiß, daß es ihn auf irgendeinem Arbeitsplatz in der Landesregierung gibt?“ Eberhard Löblich
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