Die Vulkan-Werft baut Subventions-„Multis auf See“

In Bremen kämpft eine Allparteien-Koalition um weitere Subventionen für den Schiffbau/ Tricks und Umwege bringen frisches Staatsgeld an die Küste  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

„Herrn Möllemann kann ich das nachsehen. Der hat in seinem Leben noch nichts mit Großanlagenbau zu tun gehabt. Aber sein Ministerium ...“ Bittere Worte fand der Vorstandsvorsitzende des Bremer Vulkan-Konzerns, Hennemann, gestern auf der Bilanzpressekonferenz zu der Subventionspolitik des neuen FDP- Wirtschaftsministers. Einen Verlust von etwa 30 Millionen würde die Zulagenkürzung für den Vulkan in den nächsten zwei Jahren bedeuten, die Verteidigung des Schiffbaus in Europa wäre gefährdet. Kaum einsehbar wäre zudem, wenn der westdeutsche Schiffbau in eine neue Krise gestürzt, der ostdeutsche dagegen mit seinem technologischen Rückstand am Leben erhalten würde.

Im vergangenen Jahr hat der Vulkan, der nach einer Diversifizierung nur noch die Hälfte seines Umsatzes mit dem Schiffbau macht, 100 Millionen Werftsubventionen kassiert. Die Bilanz weist erstmals seit langem ein Plus von 40 Millionen aus. Dazu haben auch die „Multis auf See“ beigetragen. Diese Schiffe der Spitzentechnologien werden bei Vulkan am Computer konstruiert. Vier solche Kühlschiffe der neuen Generation hat die Werft bereits an die Hamburger Reederei Leonhardt und Blumberg abgeliefert. Die Transportatmosphäre im Schiffsbauch ist so konstant, daß Bananen beispielsweise, die früher oft fleckig oder „ganz in Grün“ an ihren Bestimmungsort gelangten, jetzt garantiert zartgelb angelandet werden können. Aber auch mit solchen Aufträgen ist der europäische Schiffbau nicht über den Berg, der Rückgang von Militäraufträgen stellt ein sicheres Auftragspolster infrage.

Das Tal der Tränen hatte Ende der 70er Jahre begonnen. Damals mußte der Vulkan-Vorstand mitteilen, daß sie nicht mehr kostendeckend produzieren könne. 16,9 Millionen Defizit fielen allein für 1981 an. Und seit 1982 beteiligt sich das kleine Bundesland Bremen daran, das tiefe Loch in der Bilanz der großen Werft zu stopfen. Die andere stadtbremische Werft, die AG Weser, bekam seit 1978 ausschließlich solche Aufträge herein, an denen nichts zu verdienen war.

Die Gründe sind bekannt: Erst kamen die Japaner und verdrängten die europäischen Schiffbauer, dann kamen die Koreaner und verdrängten die Japaner. Seit den 80er Jahren gibt es keinen Markt mehr im Schiffbau; aus militärischen, nationalökonomischen und arbeitsmarktpolitischen Gründen wird subventioniert, was das Zeug hält.

Die Parteien haben dabei durchaus unterschiedliche Sprachregelungen für das Eine: Wenn der sozialdemokratische Wirtschaftssenator in Bremen drohend sagt, „das Werftensterben ist noch nicht vorbei“, dann will er mehr Subventionen. Wenn die Grünen erklären, sie lehnten eine „Sterbehilfe“ für die Werften ab, dann wollen sie erstens mehr Subventionen und zweitens Subventionen für ein „Umbauprogramm“, das den Werftstandorten andere Produktionslinien ermöglicht. Wenn die IG Metall sagt, „es geht nicht nur um Schiffe, es geht um die Menschen“, dann meint sie Subventionen.

Auch CDU- und FDP-Politiker von der Küste sind da völlig einig. Als Mitte April Bundeswirtschaftsminister Möllemann (FDP) die Kreditanstalt für den Wiederaufbau (KfW) anwies, 450 Millionen Haushaltsmittel für Schiffbau-Subventionen vorerst nicht auszuzahlen, da protestierte die bremische Bürgerschaft „einmütig“. Der SPD-Wirtschaftssenator Uwe Beckmeyer warf Möllemann einen „einmaligen Vertrauensbruch und schwerwiegenden Affront gegen die Küste“ vor, und der Bremer FDP-Fraktionschef Claus Jäger stellte klar: „Die Subventionen sind weiter nötig.“

In dieser Situation versuchen manche Schiffbaubetriebe, über Umwege doch noch zu Geld vom Staat zu kommen. Einen besonderen, der als „indonesischer Weg“ in die Geschichte der Subventinitis eingehen dürfte, hat gerade die Meyer-Werft aus dem niedersächsischen Papenburg aufgetan: Der asiatische Inselstaat erhält 160 Millionen Mark Entwicklungshilfe, damit er sich Schiffe kaufen kann (siehe Kasten).

Ein anderer Umweg bei der Geldbeschaffung ist derzeit ins Gerede gekommen: Der Aufsichtsratsvorsitzende des Dachverbandes der ostdeutschen Schiffbauindustrie DMS, Ekkart von Hooven, prägte als erster das böse Wort von der Zahlungsunfähigkeit der Russen: Höhere Leistungen für die Erhaltung des ostdeutschen Schiffbaus könnten erforderlich sein, denn 80 Prozent der Auslastung kommt aus der SU. Sofort konterte der frühere Bremer AG- Weser-Chef Henke, seit Jahren Vorsitzender des „Verbandes für Schiffbau- und Meerestechnik“ (VSM), derartige Spekulationen kämen einem Verbandssprecher nicht zu, und der Kompromiß zwischen westdeutschen und ostdeutschen Werften könnte in Frage gestellt werden, wenn sowjetische Aufträge wegbrächen. Denn die ostdeutschen Werften wären dann gezwungen, stärker um Aufträge mit den westdeutschen Werften zu konkurrieren.

Der Bremerhavener Grüne Manfred Schramm springt mutig in die Bresche: Wirtschaftsminister Möllemann müsse persönlich in Moskau zum Erhalt der Sowjet-Aufträge für die ostdeutschen Werften drängen, forderte er, die norddeutschen Werftarbeiter fest im Blick. Auch die SPD hat trickreiche Wege gefunden, um bei allem Gejammer über hohe Subventionen im Ausland im Inneren nicht bei den derzeitigen neun Prozent hängenzubleiben. Der Bremer Vulkan zum Beispiel erhielt für acht Kühlschiffe im Auftragswert von 538 Millionen Mark 94 Millionen als Wettbewerbshilfen. Davon waren nur 20 Millionen direkt als Zuschuß deklariert, der Rest ging als Darlehen oder stille Beteiligung an die Schiffseigner. Der Vorteil: Das Geld erscheint in der Bilanz nicht als Verlust. Bei den acht Aufträgen entstand so ein Bilanzgewinn von 24 Millionen — statt eines Verlustes von 40 Millionen Mark.

Neben seinen Schiffsbeteiligungen hat das Land Bremen einen anderen Weg gefunden, die verbliebenen Werften über die Runden zu retten: Man betreibt eine (subventionierte) landeseigene Container-Frachterlinie rund um die Welt, „Senator-Linie“ genannt. Diese kauft nicht nur ihre Schiffe vom Vulkan, die Werft ist auch am Kommanditkapital beteiligt. So schließt sich der Kreis.

Dabei ist der Königsweg aus der Werftenkrise seit Jahren bekannt, wird regelmäßig beschworen, jedoch bisher nicht eingeschlagen: mehr Technik in weltweiter Arbeitsteilung. Schon heute findet kaum die Hälfte der Wertschöpfung beim Schiffbau noch auf den Werften selbst statt, sondern in den High- Tech-Zulieferbetrieben.