: „Einige heilige Kühe schlachten“
■ SPD-Linke distanzieren sich von Thesen über eine Modernisierung der Bremer SPD
„Dieses Papier ist eine private Hervorbringung des Dr. Gerd Syben“, gingen gestern die vier SPD-Genossen Hofschen, Isola, Röpke und Stolle vom „Koordinationskreis der SPD-UB-Ost- Linken“ auf Distanz. Der Linken-Kreis, in dem 60 GenossInnen regelmäßig tagen, hätten das Papier „nie zu Gesicht bekommen und daher auch nie diskutiert“. In Anbetracht der „bisherigen Positionen der UB-Ost-Linken dürften viele Inhalte dieser privaten Meinungsäußerungen auch auf Ablehnung stoßen“, schreibt der Koordinationskreis.
Der da sein Diskussionspapier an den WK weitergebenen sieht, gehört zu dem Linken-Kreis, bzw. gehörte dazu: Gerd Syben, Sozialwissenschaftler an der Hochschule Bremen. Am 16.4. hatte er seine Gedanken zur Politik der SPD in einer taz-Kolumne dargestellt, für den internen SPD- Zirkel hatte er weiter ausgeholt und präszisiert. Und einiges aufgeschrieben, was offenbar nicht verdaulich ist: Der Koordinationskreis hatte es abgelehnt, den Syben-Text als Entwurf für ein zu veröffentlichendes Papier an die Genossen weiterzuleiten.
Syben empfiehlt der Sozialdemokratie, auf die modernen Arbeitnehmer zu setzen, auf die qualifizierten Angestellten, die der Sicherung des Sozialstaates aus Überzeugung zustimmen und ebenso für die ökologische Modernisierung der Wirtschaft zu gewinnen sind. Syben: „Die SPD muß auch in Bremen die Veränderungen der Sozialstruktur zur Kenntnis nehmen“, im Klartext: Die SPD muß um die Wählerschichten ringen, die sonst FDP oder Grüne wählen würden.
Praktisch bedeute das, daß die Bremer SPD „einige heilige Kühe schlachten“ müsse. Kernsätze:
1. „Öffentliche Dienstleistungen werden vielfach besser gesellschaftlich als staatlich abgesichert.“
2. Reorganisation öffentlicher Dienstleistungen, „Umstrukturierung von Behörden und Versetzung von Beschäftigten“ darf kein tabu sein.
3. Die doppelte Personalverwaltung im öffentlichen Dienst durch die SKP soll abgeschafft, die freien Stellen gehen zum Umwelt und zur Kinderbetreuung.
„SPD-Mitgliedschaft ist kein Qualifikationskriterium“
4. „SPD-Mitgliedschaft ist kein Qualifikationskriterium für eine Beschäftigung im Öffentlichen Dienst. Zwar können wir nicht ausschließen, daß auch Genossen qualifiziert sind“, schreibt Syben, aber bei Stellenausschreibungen sollte eine BewerberIn ohne SPD-Buch dabei sein.
5. Leitlinie der Verkehrspolitik müsse die „Steigerung der Mobilität und Bequemlichkeit“ sein, öffentliche Nahverkehrsangebote sollten entwickelt werden.
6. Subventionen, die nur zur Förderung „strukturkonservativer Unternehmen“ dienten, sollten gestrichen werden.
7. Flächenintensive Neuansiedlungen sollten nicht in Bremens erfolgen, Gewerbeflächen sollten nicht ausgewiesen werden, solange es Industriebrachen gibt. „Grüne Au statt Grunau“.
8. „Es gibt kein widersinnigeres Konzept als den Abbau der Leistungen, die Bremen attraktiver machen“. Stadtstaaten hätten eine Chance, zum Modell dafür zu werden, wie das Leben im 21. Jahrhundert gestaltet werden kann.
9. Der Regionalproporz der Bremer SPD bei der Besetzung des Senats müsse abgeschafft werden, der Präsident des Senats müsse freie Hand in der Personalauswahl haben. Die von der SPD beschlossene Frauenquote sei nicht das Problem — „es gibt im Bundesgebiet ausreichend hochqualifizierte Frauen“.
10. Die SPD kann es allein schaffen. „Wenn die Wähler/innen das (vorübergehend) nicht (mehr) glauben, geht ein solches Projekt nicht mit der FDP, sondern besser mit den Grünen.“
Der Koordination der UB-Ost- Linken will Parteiarbeit leisten und nicht darüber nachdenken, wie die SPD das Land ins 21. Jahrhundert regieren könnte: „Sie beteiligt sich an der Durchsetzung des Wahlprogramms und nicht an einer neuen Programmdiskussion mitten im Wahlkampf.“ K.W.
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