: Ist Strahlenschutz Physik?
■ Streit im Uni-Fachbereich über die Besetzung der Forschungskommission
Ein handfester Streit spaltet derzeit die Professorenschaft des Studiengangs Physik an der Bremer Uni. Acht der 27 Hochschullehrer haben in einem Brief dagegen protestiert, daß ihr Fachbereich in der zentralen Forschungskommission von Ingrid Schmitz-Feuerhake repräsentiert wird. Für den Fall, daß nicht auch noch ein Physiker ihres Vertrauens in die Kommission aufgenommen wird, wollen sie sogar vor Gericht ziehen.
Zum Hintergrund: Seit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl leitet die Physik-Professorin Ingrid Schmitz-Feuerhake die „Landesmeßstelle für Radioaktivität“. In dem über Landes- und Bundesmittel finanzierten Institut erforschen vier WissenschaftlerInnen an der Universität die langfristigen Auswirkungen von „Niedrigstrahlung“ in der Umwelt und in Lebensmitteln auf die menschliche Gesundheit. Das Institut erstellt auch Gutachten für die Anerkennung von Strahlenschäden als Berufskrankheit und beteiligt sich an der Diskussion über Grenzwerten für radioaktive Strahlungen am Arbeitsplatz.
Diese Arbeit im direkten Interesse der Bevölkerung außerhalb der Universität befinde sich lediglich „am Rande der Physik“, urteilten die acht protestierenden Professoren und forderten, in der Forschungskommission von einem echten „Grundlagenforscher“ vertreten zu werden. Schließlich entscheidet das Gremium jedes Jahr über die Verteilung von rund einer Million Mark auf die verschiedenen Forschungsprojekte der Universität. Ingrid Schmitz-Feuerhake war zwar vom Akademischen Senat in die Forschungskommission gewählt worden. Entgegen der bisher üblichen Praxis, jeden Studiengang nur durch eine ProfessorIn vertreten zu lassen, solle nun jedoch zusätzlich der Biophysiker Horst Diehl kooptiert werden, fordern die acht Professoren.
Wegen ihres „unqualifizierten Angriffs auf die wissenschaftliche Reputation von Prof. Schmitz-Feuerhake“ handelten die acht sich jetzt eine Rüge des Fachbereichsrates ein. Gleichzeitig unterstützte er jedoch ihrer Forderung, den Studiengang Physik neben Prof. Schmitz-Feuerhake auch noch durch Prof. Diehl vertreten zu lassen.
Auch die neugewählten Frauenbeauftragten des Fachbereichs wandten sich inzwischen gegen die „Diffamierung der Forschungstätigkeit von Frau Schmitz-Feuerhake“. Und der Physik-Professor Jens Scheer, jahrelang von Berufsverbot bedroht, kann sich „an keinen derartig perfiden und ehrabschneiderischen Angriff“ unter den ProfessorInnen des Fachbereichs erinnern.
„Wenn eine Frau im Spiel ist, werden einem fachliche Argumente sofort aus der Hand geschlagen“, stöhnt Prof. Stefan Aufschnaiter, Vorsitzender des Fachbereichs und Mitunterzeichner des Protestbriefes gegen Schmitz-Feuerhake. Er vermutet hinter der Wahl der Strahlenexpertin den „Versuch, die Forschungskommission möglichst wenig fachlich und mehr politisch zu besetzen“. Fachlich steht seiner Meinung nach nicht der Strahlenschutz, sondern die „Grundlagenforschung, z.B. in der Hochenergie- oder Festkörperphysik im Zentrum des Faches“. Ase
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