: Der weite Weg nach Berlin-Brandenburg
■ Der Staatsvertrag zwischen Berlin und Brandenburg liegt noch in den Sternen/ Der wirkliche Partner der Brandenburger ist das Land Nordrhein-Westfalen/ Berlin beklagt, daß Brandenburg nicht einmal in der Regionalplanung zusammenarbeiten will
Berlin/Potsdam. Potsdam grenzt zwar direkt an Berlin, doch der unmittelbare Partner der brandenburgischen Landeshauptstadt heißt — Düsseldorf. Bereits im April war der Staatsvertrag zwischen Brandenburg und Nordrhein-Westfalen perfekt, ein Abkommen mit Berlin dagegen steht immer noch in den Sternen. Ursprünglich sollte der Vertragstext bis Ende Mai ausgehandelt werden. Am Mittwoch vergangener Woche, nach der ersten gemeinsamen Staatssekretärskonferenz von Berlin und Brandenburg, wurde ein neuer Termin genannt. »Bis zum Sommer« werde ein Entwurf vorliegen, sagte der Chef der Berliner Senatskanzlei, Volker Kähne.
Der Weg zu einem gemeinsamen Bundesland Berlin-Brandenburg ist offensichtlich noch weit. Nach ihrer Sitzung hatten Kähne und sein brandenburgischer Amtskollege Jürgen Linde nur wenige Ergebnisse vorzuweisen. Linde, der aus Nordrhein- Westfalen stammende Chef der Staatskanzlei in Potsdam, lehnte sogar den von Berlin gewünschten Regionalverband ab. Das Gremium sollte die Kooperation zwischen der Metropole und dem Umland koordinieren, doch dafür sieht der Kanzleichef zur Zeit »keinen Bedarf«.
Brandenburg habe nun mal »tausend Sorgen am Hals«, entschuldigt der Berliner Senatssprecher Dieter Flämig die Widerspenstigkeit der Brandenburger. Inoffiziell hört man härtere Worte, klagen die Berliner über die Bockbeinigkeit der Nachbarn. Sogar dort wollten sie kaum kooperieren, wo es dem eigenen Land durchaus nützen würde. Linde entschuldigt sich mit dem Verweis auf die Aufbauarbeit, die in Brandenburg noch zu leisten sei. Der »Zeittakt unserer Arbeit«, so der Potsdamer Politiker, sei »etwas unterschiedlich«. Während im gemeinsamen Regierungsausschuß und den Staatssekretärskonferenzen auf Berliner Seite automatisch sowohl das Land wie die Gemeinde vertreten seien, könne die Potsdamer Regierung stets nur für das Land sprechen, nicht für die Kommunen.
Dieser Einwand fällt allerdings leicht auf die Brandenburger zurück. Sie waren es nämlich, die sich vehement dagegen wehrten, an dem Regierungsausschuß auch die Kommunen der Berliner Umgebung zu beteiligen. Dahinter steckte die Furcht, Berlin könnte sich mit seinen Nachbargemeinden auf Kosten der Landesregierung »verständigen«. Während die Berliner hinter vorgehaltener Hand den »Kolonialismus der Nordrhein-Westfalen« in Brandenburg beklagen, fürchten die Brandenburger die Vormundschaft der Berliner, die mit fertigen Konzepten ihre ländlichen Nachbarn überrennen könnten. Im Ostteil der Stadt gebe es doch »einiges Stöhnen über den Westberliner Kolonialismus«, so ein Potsdamer Beamter. Es gebe nun mal »die Intention, die brandenburgische Identität zu stärken«, heißt es in der Havelstadt. Zu Recht wehrt sich Brandenburg in der Abfallpolitik dagegen, zum »Müllhaufen der Großstadt« zu verkommen.
Wie sich die Selbstfindung auch auswirken kann, zeigte sich dieser Tage bei der Einrichtung des brandenburgischen Landesarbeitsgerichtes. Die Berliner hatten sich, wie im Fall des obersten Finanz- und Sozialgerichtes, ein gemeinsames Gericht gewünscht. Immerhin ist die Region Berlin-Brandenburg jetzt schon ein gemeinsames Wirtschaftsgebiet. Die Entscheidung über ein gemeinsames Gericht sei offen, behauptete Linde in der Staatssekretärskonferenz am Mittwoch. Doch am selben Tag entschied sich der Landtag dafür, erstmal ein eigenes Landesgericht einzurichten. Die Berliner Gerichte seien ja »sowieso schon überlastet«, begründet man im Arbeitsministerium von Regine Hildebrandt diese Präferenz. »Eine gewisse Rolle« habe darüberhinaus der Umstand gespielt, daß es in Berlin »laut Einigungsvertrag« nicht erlaubt sei, DDR-Richter zu beschäftigen.
Das klingt wie purer Verfolgungswahn. Das Abgeordnetenhaus und die Stadtverordnetenversammlung hatten im Herbst lediglich beschlossen, SED-Richter zunächst zu überprüfen und sie erst dann wieder Urteile sprechen zu lassen. Ein Körnchen Wahrheit enthalten die Potsdamer Ängste trotzdem. Denn in der Senatsarbeitsverwaltung kann man sich in der Tat »nicht vorstellen«, daß DDR-Richter die nötige Qualifikation hätten, als Landesarbeitsrichter zu wirken. So gesehen, haben sich die Brandenburger erstmal vor berlinischer Einmischung bewahrt. Detail am Rande: Der Gesetzentwurf für das brandenburgische Landesarbeitsgerichts stammt von einer Referentin aus NRW. hmt
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