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Gewitterschwüle

■ Oper „Katja Kabanowa“ im Stadttheater Bhv. / Zurückhaltender Pathos, notwendiger Schmelz

“Katja Kabanova“ von Leos Janacek wurde vor 70 Jahren uraufgeführt. Der tschechische Komponist erzählt knapp angerissenen Szenen vom Scheitern eines Liebesversuchs unter den Bedingungen einer Gesellschaft, die individuelle Freiheit den familiären Traditionen und den Sittenwächtern der herrschenden (Doppel-) Moral opfert: Der von seinem reichen Onkel geknechtete Boris (Robin Reed) liebt die verheiratete und von Schuldgefühlen gequälte Katja (Hedi Klebl), die das erste und einzige Treffen mit ihrem Geliebten arrangiert.

Grundlage des Librettos ist Alexander Ostrowskijs „Gewitter“, ein Sittenbild der russischen Gesellschaft im 19. Jahrhundert. Johannes Felsenstein hat für die Bremerhavener Inszenierung die Gewitterschwüle einer scheinbar festgefügten aber schon maroden Gesellschaft in ein sinnfälliges Bild übersetzt: Eine gemalte Wolkenlandschaft (Bild: Ilse-Maria Feltz als Gast) verändert vielfältig angestrahlt ihren Charakter und illuminiert die inneren Spannungen der Personen.

Felsenstein übersetzt den permanenten Wechsel der kleinteiligen musikalischen Motive, den Strom der dramatischen und lyri

Barbara (Kathryn Dineen) und Katja (Hedi Klebe) singen über Liebe, Zwänge und SchuldFoto: Jens Rillke

schen Momente in Bewegung. Katja dreht sich (innerhalb ihrer Umgebung) im Kreis, und auch dann, wenn sie vorwärts geht, kommt sie nicht aus dem Kreis ihrer eigenen Welt heraus. Das ist als Idee gut, aber in der Ausführung wirkt es überzogen, das häu

hier bitte

das Foto mit

den zwei Frauen

fige Drehen droht in unfreiwillige Komik umzuschlagen.

Gelungen sind die ruhigen, statischen Bilder, vor allem die minutenlange Utopie der Begegnung zwischen Katja und Boris und zwischen dem ihnen zugeordneten Paar Barbara (Kathryn Di

neen) und Wanja (Timothy Simpson), das sich der engen Welt durch Flucht in die Hauptstadt entziehen wird. Die von Janacek skizzenhaft gezeichneten, grell- dramatischen Momente der Entladung im Gewitter, währenddessen Katja vor der versammelten Dorf-Gemeinschaft ihre „Todsünde“ eingesteht, bleiben merkwürdig blaß, als könne die Inszenierung mit dem Tempo der Musik nicht Schritt halten.

„Katja Kabanova“ lebt von der Ausstrahlung ihrer Hauptfigur. Hedi Klebl hat keine Diva- Stimme, aber einen klaren Klang und einen warmen Ton (und spielerisch ein zurückhaltendes Pathos), damit gibt sie der zerbrechlichen Katja überzeugenden Ausdruck. Neben Heidi Klebl agiert ein Ensemble, das sich durch eine geschlossene Leistung auszeichnet (hervorragend: Timothy Simpson, Kathryn Dineen, Elfriede Knapp), und dem es gelingt, die von der Musik geforderte genaue Deklamation nicht zu verwischen. Das Städtische Orchester unter der Leitung von Wolfgang Ott könnte zwar in den dramatischen Partien zupackender sein, es spielt aber Klangfarben und Rhythmenwechsel vor allem in den lyrischen Passagen souverän und mit dem notwendigen Schmelz aus. Das Premierenpublikum im nicht ausverkauften Großen Haus des Stadttheaters war begeistert. „Katja Kabanowa“ in Bremerhaven kann sich sehen und hören lassen. Hans Happel

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