: Kaffee für eine Mark neunzig
■ Studenten-Protest gegen eine von Behinderten betriebene Uni-Cafeteria
Immer wieder erfordern Bemühungen um soziale Gerechtigkeit ungewöhnliche Maßnahmen. Ein Ort, wo diese Bemühungen oft Kapriolen schlagen: die Universität. Wen Kaffeedurst oder der kleine Hunger in die Sportturm- Cafeteria treiben, dem fällt sofort ins Auge: Angebot, Outfit und Preisgestaltung unterscheiden sich zum Teil erheblich von dem der anderen Cafeterien auf dem Unigelände. Der Grund: sie ist keine vom Studentenwerk betriebene Einrichtung, sondern gehört zum Firmenprojekt „Neue Arbeit der Diakonie Bremen“.
Wie etwa 100 weitere solcher Projekte in der BRD hat es zum Ziel, Arbeitsplätze für psychisch kranke und behinderte Menschen zu schaffen. In eigenständigen, marktwirtschaftlich ausgerichteten Firmen ist das Management darauf abgestimmt, Behinderte in ganz normale Arbeitsverhältnisse einzugliedern. Eine Alternative zu den üblichen Beschäftigungsmaßnahmen für „Minderleistende“, so der Fachausdruck der Sozialpolitik, in einer beschützenden Werkstatt beispielsweise.
In der Sportturm-Cafeteria reicht die Beschäftigungspalette je nach individueller Fähigkeit vom 2-Stunden-Job bis zur Vollzeitbeschäftigung. Zur Zeit gibt es hier 19 Arbeitsplätze. Die sehen die MitarbeiterInnen nun in Frage gestellt, denn seit einiger Zeit schwelt ein Streit zwischen dem Cafe und dem Studiengangsausschuss (Stuga) Sport. Der Hauptgrund: die Preise liegen zum Teil erheblich über dem der anderen Cafeterien, der Kaffee kostet hier zum Beispiel 1,90, statt der üblichen einen Mark.
Nach Ansicht des Projektes „Neue Arbeit“ ist das logisch, schließlich müssen Betriebs- und Personalkosten erwirtschaftet werden. Die Sportturm-Cafeteria ist somit zwangsläufig teurer als die bezuschußten Studentenwerks-Einrichtungen. Bezuschußt werden die Arbeitsplätze für die Behinderten aufgrund der verschiedensten Berechtigungen zwar auch, dies reicht zur Kostendeckung aber bei weitem nicht aus. Zudem ist es auch nicht Sinn der Cafeteria, Aufgaben des Studentenwerks zu übernehmen. Eingerichtet wurde sie zwecks Bewirtschaftung der BesucherInnen des Schwimmbades und der Sportveranstaltungen. Sie hat dementsprechend bis 23 Uhr und auch am Wochenende geöffnet.
Das sieht der Sprecher des Stuga Sport, Hans Borgolte, etwas anders: Letzten Endes seien es doch die StudentInnen, die den größten Teil des Umsatzes ausmachten. Und da das Studentenwerk als Verpächter Mietzins und Umsatzbeteiligung kassiert, sei dies „eine Art Doppelfinanzierung“: die Studierenden zahlten sowohl ihren Beitrag ans Studentenwerk als auch die höheren Preise.
Zweiter Kritikpunkt der StudentInnen ist, daß die Arbeitsbedingungen, besonders für Behinderte, „unerträglich“ seien, so gebe es zum Beispiel keinen Personalraum. Diese Kritik haben die StudentInnen aber ohne die Betroffenen formuliert: Es gibt einen Sozialraum — etwas unglücklich eine Etage höher gelegen — allerdings wird er kaum genutzt, denn „hier unten am Personaltisch ist es viel netter“, so eine Betroffene. Viele der psychisch Behinderten arbeiten bereits seit ein oder zwei Jahren hier. Die Arbeitsplätze sind beliebt, auch wenn es manchmal stressig wird.
Unruhe erzeugen jetzt die Aktionen des Stuga. Wie bereits im letzten Semester sind als Protest wieder alternative, zum Selbstkostenpreis verkaufende „Cafeten“ geplant, falls den Forderungen nach Preissenkung nicht nachgekommen wird. Das soll beispielsweise durch einen Verzicht des Studentenwerks auf Mietzins und Umsatzbeteiligung oder deren Senkung geschehen.
Dazu ist das Studentenwerk laut Aussage ihres Geschäftsführers, Rohlfing, nun prinzipiell bereit — allerdings erst nach Absprache mit dem zuständigen Senator als Zuschußgeber. Obwohl den StudentInnen „der Weg in die 200 Meter entfernte Cafeteria im Nachbargebäude durchaus zumutbar“ sei, wäre zumindest in Sachen Kaffeepreis auch im Sportturm eine Lösung denkbar —und zwar nach dem Vorbild des ebenfalls von einem Pächter betriebenen, im Zentralbereich gelegenen „Cafe Heuer“. Hier schlägt sich die Bemühung um soziale Gerechtigkeit tagtäglich in ungeahnter Flexibilität nieder: Der Kaffeepreis liegt bis 15 Uhr garantiert auf „studentischem Niveau“ und schnellt erst danach in die Höhe. Su
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