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Der Schlechtigkeits-Rekordler

■ Edward D. Wood: Sein Leben, Werk und das »Kino des schlechten Geschmacks«

Es gibt viele Menschen, die sich über Edward D. Wood lustig machen. Zu Lebzeiten blieb dem Regisseur jeder Erfolg versagt, doch nach seinem Tod begründeten seine Filme das »Kino des schlechten Geschmacks« und spielten beachtliche Dollarmengen ein. Die Freunde des Trash-Cinemas machten Wood zu ihrem Darling. Schlangen bilden sich vor den Off-Kinos in Los Angeles, wenn seine Filme gezeigt werden. Wood erhielt viele Preise als schlechtester Regisseur der Welt — er lachte nur darüber.

Daß Wood im Zweiten Weltkrieg bei den Marines diente und unter der Uniform, BH und Damenhöschen trug, erzählte er immer wieder gern. Mit seiner Kleidung — hochhackige Schuhe, fließende Stoffe und weiche Angora-Pullis — zog er jahrelang die Blicke von Hollywoods Kolumnisten auf sich. Transvestismus ist auch das Thema seines ersten Films Glen or Glenda — I changed my sex. Dieser 1953 gedrehte Film ist eine geradezu avantgardistische Vermischung der Genres: ein Pseudodokumentarfilm, in dem jede Menge unhaltbare wissenschaftliche Thesen von einem damals berühmten Fernsehpsychologen am Beispiel zweier »Fälle« vorgetragen werden. Wenn sich der Psychologe und der Detektiv über Selbstmorde und die Verhaftungen von Transvestiten unterhalten, erinnert die Atmosphäre ein bißchen an Sternstunden von Aktenzeichen XY. Vergleichbar auch die Kommentarstimme, die zur Erörterung der oftmals komplizierten Handlungen in allen Ed-Wood-Filmen zu hören ist. Im Mittelpunkt von Glen or Glenda steht Daniel Davis, dargestellt von Ed Wood. Daniel liebt Frauen und Frauenkleider, aber er ist »ein Mann mit normalem Geschlechtsleben«. Nur eben die Männerkleidung, die rauhen Stoffe der Arbeitsanzüge und das spröde Leder der Sicherheitsschuhe, gefallen ihm nicht. Daniel ist mit der »intelligenten und hübschen Barbara« verlobt und die Hochzeit steht unmittelbar bevor. Barbara weiß nichts von Daniels Vorlieben und Daniel weiß nicht, wie er's ihr sagen soll. So sitzen sie am Ende eines schönen Abends auf dem Sofa und Daniel streichelt zärtlich über Barbaras Pullover, den auf seiner Haut zu spüren er sich sehnlichst wünscht. Daniels Doppelleben als Transvestit und Verlobter wird in einer Mischung aus Sympathie, Zynismus und Ernsthaftigkeit analysiert und endet in einem mehr oder minder direkten Plädoyer für Verständnis Transvestiten gegenüber.

Zwischen die Szenen hat Wood viele Aufnahmen mit Bela Lugosi montiert, den er als dämonischen Weltbeschwörer Texte deklamieren läßt, die in einem unklaren Verhältnis zum restlichen Film stehen — vielleicht sollen sie die weltgeschichtliche Einordnung des Themas besorgen? Während in einer Doppelbelichtung wilde Büffelherden dahingaloppieren, warnt Lugosi z.B. immer wieder eindringlich vor einem grünen Drachen auf der Türschwelle, der kleine Jungs und Welpenschwänze ißt.

Nach Glen or Glenda hatte Ed Wood stets große Schwierigkeiten, Geldgeber für seine Drehbücher zu finden. Mit minimalstem Budget und der tatkräftigen Hilfe treuer Freunde hat er immerhin elf Filme realisiert, wovon eine Produktion das Labor zurückhielt, weil Wood die Rechnungen für die Entwicklung nicht begleichen konnte. Um sich selbst zwischen den Dreharbeiten finanziell über Wasser zu halten, schrieb Wood meterweise Pornoheftchen. In diesem Metier war er vergleichsweise erfolgreich, aber seine ganze Liebe galt der Filmkunst. Beschränkte Mittel waren für ihn nie ein Grund, auf aufwendige Dekorationen, wenn sie für den Handlungsverlauf notwendig waren zu verzichten. So hatte er beispielsweise für Bride of the Monster das Monster, ein Krake, einem mechanischen Geschöpf nachkonstruiert, das er in den Columbia-Studios gesehen hatte. Bei den Dreharbeiten stellte sich dann aber heraus, daß der Nachbau sich weder aufblasen ließ noch sonstwie bewegte. Im Finale — Lugosi wird von der Krake gefressen — liegt der Schauspieler also auf einem gänzlich schlaffen Gruselobjekt. Lugosi selbst mußte die Arme des Kraken so bewegen, daß es aussieht, als würde ihm die Luft abgedrückt. Diese Szene erzählt von der Kunst der Improvisation diezu Effekten führen kann, wie man sie sich besser nie hätte ausdenken können.

Der bekannteste von Ed Woods Filmen ist Plan 9 from outer space, ein Science-fiction. Ufos fliegen über den Hollywood Boulevard und landen auf einem Friedhof. Die Bewohner des fernen Planeten erwecken die dort Begrabenen zum Leben und wollen verhindern, daß die Erdlinge mit ihren Atomwaffen das Universum zerstören. Plan 9 bietet vom ersten bis zum letzten Bild Überraschungen, Ungewöhnliches, Gewagtes und eine unübertroffene Komik. In Wort, Mimik, Bild und Ton. Und Wood war sich dessen bewußt — behauptete er doch allen Ernstes, nicht ganz frei von Angeberei, für seine eirigen Pappmaché-Ufos mit dem Oscar für den »Best Special Effect« nominiert worden zu sein! Doch auch sonst ist die Ausstattung sehenswert: eine Garage als Raumschiff, im Cockpit eines Flugzeugs dienen Stuhllehnen als Steuerknüppel, Tag- und Nachtszenen wechseln in unorthodoxer Reihenfolge, die Friedhofskapelle sieht aus wie eine angemalte Duschkabine und die Grabkreuze biegen sich elastisch, wann immer jemand dagegen läuft. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten war Wood mit einem Polizisten befreundet, der dafür sorgte, daß echte Uniformen und Polizeiautos zur Verfügung standen. Immer wieder fahren sie mit jaulenden Sirenen von links ins Bild, auf einen Friedhof, auf dem einige Äste, aufgeworfene Grabhügel, viel Nebel und Gewitter bald einen vertrauten Anblick darstellen. In Plan 9 spielt wiederum Bela Lugosi mit — allerdings verstarb er nach den ersten drei Drehtagen. Ed Wood ersetzte den Star durch ein Double, das Lugosi in keiner Weise ähnlich sieht.

Zehn Tage vor seinem Tod im Jahr 1978 wurden Ed Wood und seine Frau Kathy mit Polizeigewalt aus ihrer Wohnung vertrieben. Ihr Zimmer, in dem sich Requisiten und Drehbücher bis unter die Decke stapelten, wurde sofort geräumt und damit der Nachlaß des Filmemachers einfach weggeworfen. Völlig verarmt und fast verhungert fanden Ed und Kathy Wood Zuflucht bei ihrem Schauspielerfreund Peter Coe. Dort verstarb Ed Wood beim Fernsehgucken an Herzversagen. Dorothee Wenner

Das Checkpoint-Kino, Leipziger Straße 55, zeigt Glen or Glenda heute um 22.45 Uhr, Plan 9 Mo., 25. bis Mi. 29.5. um 21 Uhr.

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