Kampf dem freien Wohnungsmarkt

Deutscher Mieterbund fordert neue Finanzierungswege im Wohnungsbau/ Bundesweit fehlen 2,5 Millionen Wohnungen/ „Mietermodernisierung“ im Osten finanziell unterstützen  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) — „Ohne radikalen Kurswechsel in der Wohnungspolitik wird die Situation katastrophal“, erklärte gestern in Wiesbaden der Präsident des Deutschen Mieterbundes (DMB), der Ex-Bundesminister Gerhard Jahn, zur Eröffnung des Deutschen Mietertages 1991 in Wiesbaden. Bundesweit, so Jahn, würden 2,5 Millionen Wohnungen fehlen — „und auf dem Wohnungsmarkt herrscht ein erbarmungsloser Verdängungswettbewerb“.

Der erste gesamtdeutsche Mietertag vom 23.—25. Mai in Wiesbaden steht deshalb ganz im Zeichen der vom DMB ins Leben gerufenen „10-Jahres-Kampagne gegen die Wohnungsnot“. Falls in den nächsten zehn Jahren nicht jedes Jahr 600.000 neue Wohnungen gebaut würden, komme es zu „existenzbedrohenden Situationen“ vor allem in den alten Bundesländern. Jahn: „Die Wohnungsbaupolitik in der Bundesrepublik steht vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte.“ Und weil der freie Markt „sozial blind“ sei, müsse vor allem der soziale Mietwohnungsbau eine staatliche Daueraufgabe werden. In diesem Zusammenhang lobte Jahn die neue rot-grüne Landesregierung von Hessen, die in den nächsten vier bis fünf Jahren rund 40.000 neue Wohnungen bauen will. Doch Hessens Beitrag allein werde nicht ausreichen, das bundesweite Problem auch nur ansatzweise aus der Welt zu schaffen. Neue Finanzierungswege müßten beschritten werden, denn notwendig sei eine langfristige, auf Stetigkeit angelegte staatliche Wohnbauförderung. Der DMB denkt an die Einführung eines steuerfreien, niedrig verzinsten Sozialpfandbriefes, damit vorhandenes privates Kapital endlich in den Wohnungsbau fließen könne. Auch die Wiederbelebung des Werkswohnungsbaus in den wirtschaftsstarken Ballungsräumen sei ein Diskussionsthema. Und schließlich müßten frei gewordene Kasernen und militärische Arreale sofort zur Behebung der Wohnungsnot genutzt werden.

Für die neuen Bundesländer forderte Jahn gestern ein „Wiederaufbauprogramm“ in Höhe von 5 Milliarden Mark. Das Geld soll in Form von langfristigen und zinslosen Darlehen an die Mieter und Hausbesitzer ausgeschüttet werden, die ihre Wohnungen und Häuser renovieren und sich um die Erhaltung der Bausubstanzen kümmern. Die „Mietermodernisierung“ sei nämlich eine realistische Alternative zur Privatisierung von Wohnungen.

Ausdrücklich warnte Jahn die Kommunen im Osten davor, Mietwohnraum aus kurzfristigen finanziellen Erwägungen heraus zu verkaufen. So werde nur Mietwohnraum vernichtet, und die Kommunen müßten später selbst im Rahmen ihrer Fürsorgepflichten Wohnungen bauen — „und das wird dann garantiert teurer“.