: Volksarmee geht gegen Slowenen vor
Jugoslawische Bundesarmee belagerte Ausbildungszentrum der slowenischen Verteidigungskräfte nach Festnahme zweier Bundessoldaten/ Belgrad gegen eigenständige slowenische Armee ■ Aus Ljubljana R. Hofwiler
Nur einen Tag dauerte der Spuk des Eingreifens des Militärs in der jugoslawischen Republik Slowenien. Am Donnerstag rückten Panzerfahrzeuge der Volksarmee aus ihrer Kaserne in Maribor aus, weil Einheiten der slowenischen Territorialverteidigung vorher zwei Soldaten festgenommen hatten. Die Panzerfahrzeuge umstellten ein Ausbildungszentrum der Territorialverteidigung in Pekre, der Generalstabskommandant Leutnant Vladimir Milosevic wurde nun seinerseits von der Armee festgenommen, obwohl gerade über die Freilassung der beiden Soldaten verhandelt wurde.
Der Zwischenfall könnte unter dem Titel „Kuriosität“ leicht wieder aus den Schlagzeilen verschwinden, stünde hinter ihm nicht ein brisanter und ernster Hintergrund. Aus Sicht der jugoslawischen Generalität, die am Konzept des Einheitsstaates mit allen Mitteln festhalten will, sind die slowenischen Einheiten illegal. Aus Sicht der slowenischen Regierung jedoch, die nach dem überwältigenden Votum der Bevölkerung im Dezember letzten Jahres für die Unabhängigkeit am 26. Juni die Souveränität des Landes vollenden möchte, ist umgekehrt die Anwesenheit der Volksarmee ein Politikum. Die „Besatzer“ sollen so schnell wie möglich aus dem Land verschwinden.
Neben einer eigenen Währung — über die auch mit Kroatien verhandelt wird, vielleicht werden beide Republiken ein einheitliches Währungsgebiet — werden auch andere Insignien der Unabhängigkeit geschaffen. Dazu gehört die eigene slowenische Armee, deren Vorläufer die Einheiten der Territorialverteidigung darstellen. Slowenische Rekruten rücken nicht mehr in die Volksarmee ein, dort dienende setzen sich mehr und mehr in ihre Heimat ab. Die Wehrpflichtigen sollen in der Territorialarmee dienen.
Für Belgrad ist dieses Tun verfassungswidrig. Und die Wehrpflichtigen stecken in einer Zwickmühle. Wer als Wehrpflichtiger sich dem Einberufungsbefehl verweigert, gilt in den Augen der Militärs als fahnenflüchtig. Wer jedoch dem Einberufungsbefehl der Armee folgt, gilt dies in den Augen der Slowenen.
In der slowenischen Öffentlichkeit ist der nicht unberechtigte Eindruck entstanden, hinter der Aktion der Armee stünde eine wohlkalkulierte Absicht. Nämlich die, in letzter Stunde doch noch die Unabhängigkeit des Landes zu verhindern. Auch wenn der slowenische Verteidigungsminister auf die bevorstehende Freilassung Milosevics verweist, ist mit der Umzingelung des slowenischen Ausbildungslagers die Keimzelle der slowenischen Armee ins Mark getroffen. Noch in der Nacht zum Freitag blockierten rund 300 Demonstranten eine Militäreinrichtung der jugoslawischen Volksarmee. Die slowenischen Reservisten wurden seit Donnerstag mobilisiert.
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