: AKW Mülheim-Kärlich vor dem Aus
Das Oberverwaltungsgericht erklärt die erste Teilgenehmigung in wichtigen Passagen für rechtswidrig/ Richter lassen keine Revision zu/ Atomgegner sprechen von „definitivem Erfolg“ ■ Von Thomas Krumenacker
Koblenz (taz) — Seit Freitag dürfte dem einzigen rheinland-pfälzischen Atomkraftwerk in Mülheim-Kärlich ein Ehrenplatz inmitten der atomaren Investitionsruinen der deutschen Atomwirtschaft sicher sein: Das rheinland-pfälzische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Koblenz erklärte in einem spektakulären Urteilspruch die erste Teilgenehmigung für den 1.300-Megawatt-Meiler in ihren entscheidenden Passagen für rechtswidrig. Sie war erst im vergangenen Jahr vom damaligen Umweltminister Alfred Beth (CDU) „nachgeschoben“ worden — 15 Jahre nach Baubeginn des AKWs.
Das mit geschätzten Kosten von sieben Milliarden Mark wohl teuerste AKW der Republik steht damit nicht nur — wie die GegnerInnen mit Gutachten bewiesen — geologisch auf wackeligem Boden. Seit Freitag hat der Meiler auch rechtlich kein Fundament mehr. Erst am 20. Juni vergangenen Jahres hatte Beth nach einer skandalösen öffentlichen Erörterung die jetzt verworfene Genehmigung erteilt. Das war nötig geworden, weil die erste Teilgenehmigung aus dem Jahre 1975 im Herbst 1988 vom Berliner Bundesverwaltungsgericht als rechtswidrig einkassiert wurde und daraufhin erstmals in der deutschen Atomgeschichte ein laufendes AKW vom Netz genommen werden mußte. Der Meiler, so die Richter, war entgegen den Genehmigungsunterlagen an einem anderen Standort um 70 Meter versetzt und in einer anderen Bauweise als der angegebenen errichtet worden.
Das Koblenzer OVG folgt in seiner Urteilsbegründung am Freitag weitgehend den KlägerInnen, den Städten Neuwied und Mayen: Die erteilte Genehmigung sei rechtswidrig, weil das Ministerium keine neue Prüfung aller sicherheitsrelevanten Gesichtspunkte gegenüber der 1988 aufgehobenen Teilgenehmigung vorgenommen habe. So hätte Mainz prüfen und entscheiden müssen, ob die Anlage „hinsichtlich ihres Konzepts und aller Merkmale der baulichen und technischen Gestaltung [...] die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch ihre Errichtung und ihren Betrieb“ gewährleiste. Dabei hätte der Stand von Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt der Genehmigung, also 1990, und nicht zum Zeitpunkt der Erstgenehmigung 1975 zugrunde gelegt werden müssen, so der vorsitzende Richter. Sein Fazit: „Damit ist die durch die Aufhebung der 1975er Teilgenehmigung entstandene Regelungslücke nicht im rechtlich gebotenen Umfang geschlossen worden.“
Mit dem Urteil scheint das Ende des Meilers von Mülheim-Kärlich — gegen den Tausende von BürgerInnen seit 20 Jahren protestieren — so gut wie sicher. Ausdrücklich ließen die Richter, die sich schon im Urteil häufig auf das Berliner Verwaltungsgericht stützten, keine Revision dort zu und nahmen der Betreiberin, der RWE Energie AG, damit ein wichtiges juristisches Mittel. RWE-Sprecher Dirk Bülow kündigte gegenüber der taz zwar an, alles zu tun, „um den Meiler wieder ans Netz zu kriegen“. Für die Rechtsanwälte der Klägerinnen, Reiner Geulen (Berlin) und Wolfgang Baumann (Würzburg), ist das Urteil der „definitive Erfolg“ der AtomgegnerInnen.
Das Urteil dürfte auch bei der neuen Landesregierung auf Freude stoßen: Umweltministerin Klaudia Martini (SPD) sagte am Freitag eher vorsichtig eine „umfassende Prüfung“ zu. Erklärtes Ziel der SPD ist, den Meiler nicht wieder ans Netz gehen zu lassen.
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