INTERVIEW
: Zwingt Bonn den Senat zur Steuererhöhung?

■ Wirtschaftssenator Meisner schließt Erhöhung der Gewerbesteuer nicht aus/ »Das gehört zur Normalisierung«

Berlin. Um die leeren Berliner Kassen zu füllen, diskutiert man im Rathaus Schöneberg mittlerweile auch über Steuererhöhungen. Die SPD- Fraktion fordert, die Gewerbesteuer ab dem nächsten Jahr in zwei Stufen zu erhöhen. Mit einem Hebesatz von 200 Prozent liegt sie in Berlin zur Zeit noch weit unter dem westdeutschen Durchschnitt von 430 Prozent. Eine Verdoppelung auf den auch in Brandenburg gültigen Satz von 400 Prozent würde dem Senat jährlich 600 Millionen Mark an zusätzlichen Einnahmen bringen. Zwischen den Koalitionspartnern bahnt sich hier eine Auseinandersetzung an: Während sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen und Finanzsenator Elmar Pieroth (beide CDU) bereits öffentlich gegen eine Gewerbesteuererhöhung gewandt hatten, schließt SPD-Wirtschaftssenator Norbert Meisner dies, wie er der taz jetzt sagte, unter bestimmten Umständen nicht aus.

taz: Ihre Partei fordert eine Erhöhung der Gewerbesteuer. Was sagen Sie als Wirtschaftssenator dazu?

Norbert Meisner: Die Aufgabe des Wirtschaftssenators ist es natürlich, zusätzliche Belastungen von der Berliner Wirtschaft fernzuhalten. Eine Erhöhung der Gewerbesteuer ist nur in Stufen denkbar, in einer sanften Anpassung des jetzigen Wertes auf eine noch zu bestimmende Größenordnung. Außerdem muß man sich fragen, ab wann das beginnen soll. Die gesellschaftlichen Kräfte in der Stadt waren sich eigentlich alle mal einig: In der Diskussion um die Berlinförderung haben wir Bonn gebeten, nach Möglichkeit nicht ausgerechnet jetzt weitere Belastungen zu schaffen, während die Wirtschaft durch die Umstrukturierung im Ostteil der Stadt sowieso in großen Schwierigkeiten ist. Der Einstiegspunkt für den Abbau von Vorteilen, so haben wir es gegenüber Bonn immer gesagt, sollte nicht vor dem 1. Januar 1993 liegen.

Ihre Partei ist aus diesem Konsens aber ausgeschert. War das mit Ihnen abgesprochen?

Nein. Die Partei entwickelt aus ihrer Mitte heraus ihre Vorstellungen. Darüber muß man sich jetzt verständigen.

Kann es sich Berlin denn leisten, einerseits Finanzforderungen an Bonn zu stellen und andererseits eigene, zusätzliche Einnahmequellen nicht auszuschöpfen?

Es kann passieren, daß Berlin vom Bundesfinanzminister aufgefordert wird, eine bestimmte Summe durch eigene Steuererhöhungen zu erwirtschaften. Es ist die Frage, ob man sich dann wehren kann. Wenn sich der Bundesfinanzminister beispielsweise weigert, eine bestimmte Summe zu geben und von uns Steuererhöhungen fordert, dann steht Berlin vor der Frage: Haben wir das Geld, oder müssen wir der Aufforderung nachkommen?

Zu deutsch: Sie schließen eine Steuererhöhung nicht aus.

Auf Dauer können wir nicht bei dem jetzigen Gewerbesteuersatz bleiben. Zu der Normalisierung in Berlin wird auch gehören, daß die Gewerbesteuer eine angemessene Höhe haben wird. Die Frage ist der Zeitpunkt. Interview: hmt