: Sparkassen in Ostdeutschland: „Da regiert das Chaos“
Thüringen will nicht Mitglied im neuen ostdeutschen Sparkassen-Dachverband werden/ Landesregierung strebt Fusion mit Landesverband Hessen an ■ Aus Erfurt K.-P. Klingelschmitt
Die Sparkassen im Osten waren die „universellen Geldinstitute“ für die BürgerInnen der ehemaligen DDR — und das sind sie im Bewußtsein vieler bis heute geblieben. Die Anpassung der alten DDR-Geldinstitute an bundesrepublikanisches Recht, die bis Mitte des Jahres von den Landesregierungen zu leisten ist, bereitet allerdings Schwierigkeiten.
Als „Problem mit Regelungsbedürfnis“ werten denn auch der thüringische Ministerpräsident Josef Duchac (CDU) und sein Wirtschaftsminister Hans-Jürgen Schultz (FDP) die Überführung des noch real existierenden Sparkassenverbandes der DDR — heute nennt er sich Ostdeutscher Sparkassen- und Giroverband (OSGV) — in die (Ost-)Deutsche Girozentrale (DGZ), die sich für die fünf neuen Bundesländer derzeit im Aufbau befindet. Die DGZ soll als zwölfter Landessparkassenverband unter das Dach des dann gesamtdeutschen Sparkassen- und Giroverbandes schlüpfen.
Doch eine Kapitaleinlage von 64 Millionen Mark, die das Land Thüringen für die gemeinsame ostdeutsche Sparkassenzentralbank aufbringen müßte, würde das Land an den Bettelstab bringen. Um diese Kosten zu sparen, hat die Landesregierung den Ausstieg aus dem OSGV und eine Fusion mit dem Hessischen Landesverband anvisiert: „Bis zu einer endgültigen Regelung des Sparkassenrechts in Thüringen ruht die Mitgliedschaft der Sparkassen des Landes im OSGV. Hierdurch erhält sich das Land die notwendige Handlungsfreiheit für die Regelung der künftigen Sparkassenstruktur in Thüringen“, heißt es im Gesetzentwurf zur „Fortentwicklung des Sparkassenrechts“ in Thüringen.
Im selben Gesetzentwurf stellt die Landesregierung mit entwaffnender Offenheit allerdings auch fest, daß sie auf dem Sparkassensektor über „keinerlei Alternativen“ verfügt. Ein aus Sicht der Oppositionsparteien notwendiges eigenes Sparkassengesetz für Thüringen ist nämlich noch nicht in Sicht. „Da regierte das Chaos“, meint denn auch Olaf Möller, Landtagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne/Demokratie Jetzt. Duchac bekam nach der Vorlage seines Ausstiegsgesetzes offenbar kalte Füße, denn ein Ausscheren aus dem OSGV ohne zeitgleichen Einstieg in ein thüringisches Sparkassenrecht hätte die Sparkassen in den rechtsfreien Raum hineinkatapultiert.
Grundsätzlich stört Landesregierung wie die Opposition im Erfurter Landtag an dem neuen ostdeutschen Sparkassenverband, daß — anders als im Westen — keine Landessparkassenverbände gegründet werden sollen, sondern ein einziger Verband für alle fünf neuen Länder. Damit werde den Ostländern die Entscheidungshoheit über die kommunalen Sparkassen weitgehend genommen, obgleich doch gerade die Sparkassen die Finanzierungsgaranten für den regionalen Aufschwung werden sollen. Anders als normale Geschäftsbanken sind Sparkassen nämlich satzungsgemäß zur Mittelstandsförderung und zur Wahrung kommunaler Interessen verpflichtet.
Die Sparkassen werden denn auch von den Kommunen via Verwaltungsrat und/oder Prüfungsausschuß kontrolliert. Die Kommune, der Landkreis oder auch das jeweilige Bundesland würde bei einer Sparkassenpleite von den Gläubigern zur Kasse gebeten. Eine Sicherheitsgarantie für SparerInnen, die den Sparkassen auf dem Markt der Moneten einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsvorteil verschafft hat.
Der kommunale oder regionale Charakter der Sparkassen hat in den alten Bundesländern landesweite Dachorganisationen nach sich gezogen, die Sparkassen- und Giroverbände der Bundesländer. Und an dieses Modell wollen jetzt offenbar auch die Thüringer anknüpfen. Erste Gespräche über die Gründung eines hessisch-thüringischen Sparkassen- und Giroverbandes wurden von Duchac bereits mit dem inzwischen abgewählten hessischen CDU-Ministerpräsidenten Walter Wallmann geführt. Und der Regierungswechsel in Wiesbaden dürfte ein Grund für die zögerliche Haltung der Regierung Duchac sein, das OSGV-Ausstiegsgesetz die parlamentarischen Hürden passieren zu lassen.
Außerdem entdecken die Sparkassen vor Ort nach und nach auch Nachteile, die ein Ausscheiden aus dem Kooperationsvertrag mit der DGZ und ein Zusammengehen mit Hessen bringen würde: Thüringische BausparerInnen beispielsweise kommen schneller zur Häuslefinanzierung, wenn der Dachverband ihrer Sparkasse in ostdeutschen Landen bleibt. Bislang hat keine der 195 Sparkassen aus den neuen Ländern die Auflösung des Vertrages mit der DGZ verlangt. Diese hat immerhin schon 30 Millionen Mark in den Ostländern investiert — Geld, das beim Ausscheiden zurückzuzahlen wäre. So halten die Sparkassen in Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg an dem Ostländer-Verbund fest. Und in Sachsen-Anhalt, wo eine Annäherung an die niedersächsische NordLB erwogen wurde, ist von einem Ausscheiden aus der DGZ jetzt nicht mehr die Rede.
Aus der rot-grün regierten hessischen Staatskanzlei war zu hören, daß man einer Fusion mit Thüringen in Sachen Sparkassen- und Giroverband weiterhin offen gegenüberstehe. Am Zuge, so der finanzpolitische Sprecher der Regierungsfraktion der Grünen im hessischen Landtag, Reinhold Weist, seien jetzt aber die Thüringer. Duchac müsse mit dem hessischen Sparkassen- und Giroverband in Frankfurt verhandeln — „und danach werden wir entscheiden, ob wir den hessischen Sparern das Risiko der Gründung eines hessisch- thüringischen Verbandes zumuten können“.
In Erfurt hat Duchac jetzt eine Verhandlungskommission zusammengestellt, an deren Spitze Wirtschaftsminister Schultz steht. Nach den Vorstellungen Duchacs soll diese Kommission noch im Mai mit der hessichen Landesregierung einen Staatsvertrag über die Fusion der Sparkassen beider Länder verhandeln. Doch so schnell schießen nicht nur die Preußen, sondern auch die Hessen nicht. Weist: „Das muß alles sorgfältig geprüft werden.“ Die Zustände in vielen Sparkassen im Osten sind nämlich nicht gerade die allerbesten — und die fachlichen Kompetenzen der Angestellten vielfach auf die alten DDR-Zustände zugeschnitten.
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