: Greenpeace kämpft gegen Nato
■ Protest gegen amerikanische Atomsprengköpfe/ 200 weißgekleidete Greenpeaceler blockierten Auftakt der Frühjahrstagung der Verteidigungsminister in Brüssel
Aus Brüssel (taz) — Geschniegelt und gestriegelt entstiegen sie den Limousinen. Orden funkelten an ihren stolz geschwellten Brüsten und schwarze Lackschuhe glänzten im Blitzlicht der Fotografen. Nervös strichen die Hohepriester der Nato noch einmal die Uniformen glatt, bevor sie gestern Vormittag — die Aktentasche fest im Griff — auf das Allerheiligste, ihr Hauptquartier in Brüssel, zum jährlichen Frühjahrstreffen des Atlantischen Bündnisses zumarschierten. Ausgerechnet in dem Moment wurde ihre feierliche Prozession jäh unterbrochen.
Rund 200 weißgekleidete Greenpeace-Krieger strömten aus vorgefahrenen Lastkraftwagen und blockierten in Sekundenschnelle den Haupteingang des Nato-Hauptquartiers in Brüssel. Sie entrollten mehrere, zusammen über einen Kilometer lange weiße Bänder, auf denen schwarze Bomben aufgedruckt sind. Sie symbolisieren die 4.000 Atomsprengköpfe — und Bomben, die die USA noch in Europa stationiert haben. „Dieses Erbe des Kalten Krieges erfüllt keinerlei militärischen oder politischen Zweck“, so ein Greenpeace-Sprecher, deswegen sei es an der Zeit, daß die Nato diese Nuklearwaffen beseitige.
Daß den Nato-Rüstungsministern nichts ferner liegt, wußte der stellvertretende Nato-Generalsekretär Henning Wegener bereits am Montag zu berichten. Seine Chefs, die gestern und heute in Brüssel eine vorgeblich neue Nato-Strategie und die Umstellung der Streitkräfte auf schnelle Eingreiftruppen debattieren, wollen ihre atomaren Streitkräfte behalten. Allerdings sollen sie „angepaßt“ werden, was übersetzt „Modernisierung“ bedeutet. Eine neue luftgestützte nukleare Abstandsrakete (TASM), mit Reichweiten bis in die Sowjetunion, ist bereits in Planung. „Anpassung“ ist auch das Stichwort, unter dem die Minister die Umstrukturierung der Nato-Streitkräfte diskutieren — Anpassung an die neue Situation nach dem Ende des Kalten Krieges und des Golfkriegs. Dazu müßten die Nato- Streitkräfte völlig umstrukturiert und in drei Gruppen eingeteilt werden — schnelle Eingreiftruppen, Hauptverteidigungsstreitkräfte und sogenannte Hilfstruppen.
Schwer tun sich die Nato-Krieger mit ihrer Strategiediskussion. Eine neue Strategie sei dringend nötig, weil die alte anläßlich des Beitritts der DDR zur BRD außer Kraft gesetzt wurde. Seitdem gibt es keine Grundlage mehr für die 23 Jahre gültige Nato-Doktrin der „flexiblen Antwort“. Eigentlich sollte den Ministern deswegen für ihre Frühjahrstagung eine neue Strategie auf den Konferenztisch gelegt werden, doch der Zerfall des Warschauer Pakts und die politischen Umwälzungen in Europa machen es den Nato-Strategen nicht leicht. Außerdem bekommen sie Konkurrenz von der Westeuropäischen Union (WEU), der EG und der KSZE. Michael Bullard
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