: Homo-Aufklärer in Schulen unerwünscht
■ CDU-Schulsenator will Lesben und Schwule nicht in Unterricht lassen/ Jugendverwaltung von Senator Krüger (SPD) hat dafür kein Verständnis
Berlin. Nach dem Überfall von etwa siebzig jungen Rechtsradikalen auf ein Fest von Lesben und Schwulen in Mahlsdorf wächst nicht nur die Kritik an Polizei und Justiz. Auch gegen die Behörde von Schulsenator Klemann (CDU) werden Vorwürfe laut. Denn die Senatsschulverwaltung lehnt es weiterhin ab, daß Schwulen- und Lesbengruppen im Unterricht zur Aufklärung beitragen (siehe auch Dokumentation).
Die Jugendverwaltung von Senator Thomas Krüger (SPD), die offen schwulen Abgeordneten des Bündnis 90/Grüne, die Berliner Aids-Hilfe, der Schwulenverband in Deutschland reagierten darauf gestern mit Unverständnis. »Es scheint da Berührungsängste zu geben«, sagte der Sprecher des Jugendsenators, Schilling. Um Jugendliche zur »Akzeptanz anderer Lebensweisen« zu bewegen, müsse »jedes kompetente Mittel recht sein«. Dazu gehörten auch Lesben und Schwule im Unterricht. Die ehemalige AL-Jugendsenatorin Anne Klein sagte der taz: »Der Brief ist eine Angstreaktion. Meines Wissens ist Homosexualität weder ansteckend noch vererblich. Für mich ist der biologische Normalfall, daß jeder Mensch alles sein kann, homo oder hetero. Das sollte nicht nur toleriert, sondern auch akzeptiert werden.«
Mehr Aufklärung in Schulen und Jugendeinrichtungen war am Montag nach dem Überfall von allen Parteien im Abgeordnetenhaus gefordert worden. Wie die taz berichtete, hatte das Bündnis 90/Grüne dafür plädiert, daß Schwule und Lesben auch in den Schulen auftreten sollten. Die Schulverwaltung jedoch hält nichts von solchem Anschauungsunterricht. Das sei kontraproduktive »Betroffenheitspädagogik«, meinte der Sprecher des Schulsenators, Laurenz Ungruhe, gegenüber der taz. Solcherlei »Aufbauschen« könne »Vorurteile in wirren Köpfen noch verstärken«. Andernorts hatte Ungruhe gesagt: »Nur weil irgendwelche Bekloppte Leute verhauen, ändern wir die schulischen Rahmenpläne nicht.« Gegenüber der taz wies Ungruhe darauf hin, daß ein Schreiben der Schulverwaltung an die »Arbeitsgemeinschaft homosexueller Lehrer und Erzieher« der GEW vom Februar dieses Jahres »immer noch die Grundlinie des Hauses« sei.
Der Schwulenverband in Deutschland nannte die Forderung von SPD und CDU nach mehr Aufklärung »Heuchelei«, solange die Schulverwaltung ihre »vorwissenschaftliche Bewertung« der Homosexualität aufrechterhalte. Christian Puls vom Bündnis 90 sprach von »einfacher Dummheit«. Es gehe nicht darum, für ein »abgeschiedenes« Sexualverhalten zu werben. Im Ostteil hätten Lesben- und Schwulengruppen wie »Courage« und »Lambda« bereits gute Erfahrungen an den Schulen gesammelt. Sein Kollege Albert Eckert sagte, daß »bei Senator Klemann Aufklärung offenbar nötiger ist als an den Schulen«. Uwe Jahn, Sprecher der Berliner Aids- Hilfe, sagte, es gehe nicht um Werbeveranstaltungen für eine sexuelle Orientierung, sondern »um die Abschaffung von aberwitzigen Vorurteilen«.
Nach einem zweiten Überfall auf einen schwulen Kneipenabend im BesetzerInnen-Cafe »Subversiv« in der Nacht zu Dienstag, hatte es erneut Kritik an der Polizei gegeben, die auch in Mahlsdorf keine Verhaftung verzeichnet hatte. Außerdem wurde bemängelt, daß der Generalstaatsanwalt das Dezernat 77 aufgelöst hat, das bislang das verbotene Verwenden von NS-Symbolen verfolgte. kotte
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