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Nato: Vorläufig keine Einsparungen

■ Von der angestrebten neuen „politischen Rolle“ der Nato war in Brüssel keine Rede mehr/ „Schnelle Eingreiftruppe“ trotz Bundeswehrprotest unter britischem Oberkommando

Brüssel (taz) — Eine „Friedensdividende“ wird es zumindest in den Nato-Staaten vorerst nicht geben. Zum Abschluß ihrer zweitägigen Frühjahrstagung betonten die Verteidigungsminister der westlichen Militärallianz gestern, daß die „Neuorganisation“ des Bündnisses mittelfristig sogar „Mehraufwendungen“ notwendig machten. Zuvor hatten sich die Minister auf die Schaffung einer „Schnellen Eingreiftruppe“ unter britischem Oberkommando geeinigt. Sie bekräftigten außerdem die auch künftig „entscheidende Funktion“ der Atomwaffen in der Nato-Strategie und bestätigten erstmals offiziell Planungen für die Einführung neuer flugzeuggestützter A-Bomben und Abstandsraketen.

Von einer neuen „politischen Rolle“, die man auf den Nato—Tagungen der letzten anderthalb Jahre für die westlichen Allianz immer beschworen hatte, war gestern in Brüssel nicht mehr die Rede.

Die geplante „Umstrukturierung“ der Streitkräfte und ihre „Anpassung“ an neu definierte Bedrohungen ließen vorläufig „Einsparungen in den meisten nationalen Verteidigungshaushalten“ nicht zu, heißt es im Abschlußkommunique der Tagung. Bundesverteidigungsminister Stoltenberg betonte, daß dies auch für die Bundesrepublik gelte, obwohl der Umfang der Bundeswehr bereits bis Mitte der 90er Jahre deutlich verringert wird. Erst langfristig würden signifikante Einsparungen möglich. Wer diese wolle, müsse jetzt bereit sein, mehr auszugeben, erklärte US-Verteidigungsminister Cheney.

Nach Angaben der Minister, verlange unter anderem die Schaffung zusätzlicher Lufttransportkapazitäten erhebliche finanzielle Aufwendungen. Diese sind für die künftige Streitkräftestruktur, bei der große, stehende Truppenverbände durch kleinere, hochmobile Einheiten und schnelle Eingreiftruppen ersetzt werden sollen, von großer Bedeutung. Am Dienstag hatten sich die Verteidigungsminister auf die Aufstellung einer „schnellen Eingreiftruppe“ mit rund 70.000 Mann geeinigt. Trotz erheblichen Widerstandes aus Reihen der Bundeswehrführung, stimmte Stoltenberg schließlich einem britischen Oberkommando für die Eingreiftruppe zu.

Die Atomwaffen der Allianz sollen laut Kommunique weiterhin „auf dem neuesten Stand gehalten werden, wo dies erforderlich ist“. Hinter dieser Generalklausel verbergen sich Planungen für die Einführung neuer flugzeuggestützter Abstandsraketen und Fallbomben sowie auf Schiffen und U-Booten stationierter neuer Atomwaffen. Stoltenberg und Nato-Generalssekretär Wörner erklärten, die derzeit noch in Westeuropa, vor allem im westlichen Teil der Bundesrepublik stationierten atomaren Kurzstreckenraketen und Artilleriegranaten verlören zunehmend an Bedeutung. Auf die Fragen, wann diese Waffen beseitigt werden sollen, ob einseitig oder durch Verhandlungen, ob vollständig oder nur weitgehend, enthält jedoch auch das Kommunique dieser Nato-Tagung keine Antworten. Die ursprünglich für die erste Hälfte 1991 angekündigten Verhandlungen mit der Sojwetunion über diese Waffenkategorie finden unter den Nato-Staaten inzwischen kaum mehr Unterstützung. Andreas Zumach

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