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Kuwaits Ölquellen: Löschen mit gebremstem Schaum

US-Firmen blockieren die internationale Hilfe beim Kampf gegen die brennenden Ölquellen/ Auswirkungen von Äthiopien bis Indien zu spüren  ■ Von Gerd Rosenkranz

Berlin (taz) — Zweimal machte sich Wolfgang Steinbach aus dem Schwäbischen auf den Weg nach Kuwait, pendelte dort zwischen Kuwait- Stadt, Al Ahmadi und den lodernden Mahnmalen des vergangenen Golfkriegs hin und her. Dann war sich der Stuttgarter Ingenieur sicher: Nach dem von Saddam Hussein ausgelösten „größten Umweltverbrechen“ der Menschheitsgeschichte macht sich die Regierung der USA gegenwärtig des „zweitgrößten Umweltverbrechens“ schuldig — indem sie eine rasche und effektive Bekämpfung der immer noch über 500 brennenden Ölquellen gezielt boykottiert.

„Von Pontius zu Pilatus“ sei er geschickt worden, schimpft Steinbach, immer mit dem einzigen Ziel, den vier in Kuwait mit mäßigem Erfolg arbeitenden Löschteams aus den USA und Kanada lästige Konkurrenz vom Hals zu halten. Ähnlich wie dem Stuttgarter Einzelkämpfer ging es in den vergangenen Wochen etwa 300 Firmen aus aller Welt, die bei der Eindämmung des „größten Umweltdesasters aus Menschenhand“ (Greenpeace) helfen und natürlich auch verdienen wollten. Ob Kuwaits Reichtum noch ein oder zwei Jahre gen Himmel lodert oder die Welt die Verantwortlichen zum Abbruch ihrer Hinhaltetaktik zwingt, wird sich wohl an einer anderen heftig umstrittenen Frage entscheiden: Ob nämlich die Folgen des Öko-Desasters auf Dauer auf die engere Golfregion begrenzt bleiben oder nicht.

Mit einem Koffer voller Ideen hatte sich Steinbach erstmals Anfang, dann noch einmal Ende April auf den Weg in die Krisenregion gemacht. Sein großer Irrtum sei gewesen, zu glauben, daß die Teams vor Ort händeringend nach neuen Technologien im Kampf gegen das Inferno Ausschau hielten. So wie es in den Medien berichtet worden war. Tatsächlich werden kleine Feuer mit Wasser und große mit gezielten Sprengstoffexplosionen ausgeblasen, also durchaus konventionell. Auch beim Verschließen stützen sich Red Adair, der legendäre US-Feuerwehrmann, und seine Kollegen auf konventionelles Gerät. Anderes sei auch gar nicht nötig, ist Steinbach heute klüger. Statt vier müßten eben 100 Teams eingesetzt werden, um die Ölbrände innerhalb weniger Wochen vollständig zu löschen. Dies sei zwar „ein großer organisatorischer Aufwand“, aber von jeder entwickelten Industrienation ohne weiteres zu schaffen. Spezialisten stünden weltweit Gewehr bei Fuß.

Doch vor Ort machte Steinbach immer dieselbe Erfahrung. Er wurde hin- und hergeschickt, seine Vorschläge hörte man sich an, um sie anschließend für überflüssig zu erklären. Der Gipfel des „subtilen Systems“, die Bewerber auflaufen zu lassen: Am Ende seiner wochenlanger Bemühungen wurde dem Stuttgarter mitgeteilt, die Regierungen der USA und Kuwaits hätten ein fünfköpfiges Team von Fachleuten als Anlaufstelle für potentielle Helfer eingerichtet. In London.

Daß Steinbachs Erfahrungen System haben, glaubt auch der SPD- Bundestagsabgeordnete Michael Müller, der kürzlich ebenfalls die Krisenregion bereiste. Es gebe eine Menge „Ungereimtheiten“, nicht nur die, daß die Löschteams nicht nach Erfolg, sondern nach der Dauer ihres Aufenthalts entlohnt werden. Müller: „Völlig unamerikanisch.“ Die US-Armee, die über jede Menge hilfreiches Gerät verfüge, weigere sich zudem ausdrücklich, beim Kampf gegen die Feuersbrunst zu helfen.

Ihre schützende Hand über die einsamen Teams am Golf halte die US-Firma Bechtel, sagen Steinbach und Müller, in deren Führungscrew Namen wie Caspar Weinberger und George Shultz auftauchen. Sie bürgen für exklusive Kontakte zur Kuwaitischen Regierung. Bechtel spielt die Rolle des Generalunternehmers zum Wiederaufbau des Emirats. Auch Bundesumweltminister Töpfer hat im übrigen nach taz-Informationen „Ärger mit den USA gekriegt“, als er vor Wochen versuchte, mit einem eigenen deutschen Beitrag die Löschaktivitäten zu beschleunigen.

Das wäre dringend nötig. Denn kürzlich veröffentlichte Computersimulationen des Deutschen Klimarechenzentrums in Hamburg zu den globalen Auswirkungen der brennenden Ölfelder könnten sich schon bald als zu optimistisch erweisen. Die Hamburger hatten eine „signifikante Abkühlung in Bodennähe von vier Grad Celsius im Monatsmittel nahe der Emissionsquelle“ ermittelt, gleichzeitig aber überregionale oder gar weltweite Klimawirkungen ausgeschlossen. Mit einer Ausnahme: Für das Hochplateau von Tibet spuckten die Großcomputer eine „relativ kräftige Erwärmung“ aus, die „zu stärkeren Niederschlägen über Indien während der Anfangsphase des Monsuns“ führt. Gestern nun berichtete der US-amerikanische Klimaforscher Robert Chase nach der Auswertung von Satellitenphotos und -daten, daß die Realität die Simulation bereits heute übertrifft. Chase fand Belastungen der in die Luft geblasenen Rußpartikel — gut 40.000 Tonnen pro Tag, eine Schätzung, die auch die Hamburger in ihre Computer speisten — von Indien bis Äthiopien. Sie würden sich mit Sicherheit schädlich auf die Sonneneinstrahlung, die Ernten und die Gesundheit der Menschen auswirken. Außerdem setzten die Feuer tonnenweise Schwefeldioxid frei, das auf den Satellitenfotos bereits Indien, Teile der Sowjetunion und Afrikas, des Mittelmeers und natürlich der Golfregion überziehe.

Wolfgang Steinbach fürchtet, daß alles noch viel schlimmer ist: Weil das Öl wegen des hohen Drucks der Quellen nur unvollständig verbrenne, seien die täglichen Rußfrachten bisher erheblich zu niedrig angesetzt worden. Außerdem erreichten die extrem feinen Partikel auch hohe Atmosphärenschichten und würden wegen der regenarmen Region um den Golf herum auch nicht sehr effektiv aus der Atmosphäre ausgewaschen. Steinbach hat den Augenschein auf seiner Seite: Als er Anfang April von Kairo nach Damman flog, war die Wüste unter ihm gut zu sehen. Bei seinem zweiten Versuch Ende April, berichtet der Ingenieur, „war alles in Dunst gehüllt — selbst der Horizont“.

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