: Vietnamesen werden „geduldet“
■ Bayerisches Verwaltungsgericht erkennt Bedrohung vietnamesischer Asylantragsteller an, gewährt aber nur eine Duldung/ Massenexodus ehemaliger vietnamesischer Vertragsarbeiter
Ansbach (taz) — Kein Asyl, keine Aufenthaltsbefugnis, sondern nur eine Duldung gewährt das Verwaltungsgericht in Ansbach jetzt vietnamesischen Asylsuchenden. Das Verwaltungsgericht, zuständig für Asylverfahren in Bayern, hat sich damit für den juristisch minderwertigsten Aufenthaltstitel entschieden.
Die betroffenen Vietnamesen, allesamt ehemalige Vertragsarbeiter aus der Ex-DDR, sind damit vorerst zwar von einer Abschiebung verschont, müssen jedoch in kurzen Zeitabständen immer wieder um eine Verlängerung der Duldung nachsuchen. Voraussetzung für das Gericht ist, daß den Vietnamesen in ihrer Heimat Haftstrafen drohen. Der Asylsuchende müsse auf mögliche Repressalien auch ausdrücklich hinweisen.
Insgesamt haben rund 10.000 Vietnamesen aus der ehemaligen DDR Anträge auf politisches Asyl gestellt. Vor dem Verwaltungsgericht in Anbach sind 687 weitere Verfahren von Vietnamesen anhängig, deren Anträge auf Asyl das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Zirndorf abgelehnt hat. In vielen Fällen beruft sich das Amt in seinen Bescheiden auf die sogenannten „subjektiven Nachfluchtgründe“: Demnach waren die Antragsteller in ihrem Heimatland nicht politisch verfolgt, sondern haben sich überhaupt erst durch den Asylantrag in eine für sie bedrohliche Situation gebracht.
Eine Anerkennung als Asylberechtigter ist damit ausgeschlossen. Allerdings ist das Bundesamt nach dem neuen Ausländergesetz verpflichtet zu prüfen, ob nicht andere Abschiebungshindernisse gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen.
Daß den ehemaligen Vertragsarbeitern im Falle einer Abschiebung durchaus Gefahr droht, hat unter anderem das Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien hervorgehoben, auf dessen Gutachten sich das Ansbacher Gericht beruft. Das vietnamesische Strafgesetzbuch sieht für unerlaubten Grenzübertritt — in diesem Fall von der damals noch existenten DDR in die Bundesrepublik — Haftstrafen von drei bis zehn Jahren vor.
Im Rahmen bilateraler Arbeitsverträge befanden sich bis zur Maueröffnung rund 60.000 Vietnamesen als Arbeitskräfte in der DDR. Kurz nach der Grenzöffnung setzten sich die ersten mit einem Sprung über die damals noch intakte Mauer von Ost- nach West-Berlin ab und beantragten Asyl — meist mit der Begründung, sie wollten nicht in ihr kommunistisches Heimatland zurückkehren und würden in der DDR als Ausländer diskriminiert.
In den neuen Bundesländern leben heute noch rund 13.500 Vietnamesen. Die meisten der ursprünglich 60.000 sind nach Vietnam zurückgekehrt, nachdem sie in der ehemaligen DDR ihre Arbeitsplätze verloren hatten und sich wachsender Ausländerfeindlichkeit ausgesetzt sahen. anb
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