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Soziale Kontrolle — leichtgemacht

Mobile Telefone können die allzeitige Erreichbarkeit zum Alptraum werden lassen: „Warum nimmst Du nicht ab? Du hast das Telefon doch in der Manteltasche!“/ Der Datenschutz wird kaum bedacht  ■ Von Frank Holzkamp

„Beam' mich rauf, Scotty“ — das armbanduhrgroße Funksprechgerät am Handgelenk, aus Fernsehserien wie Raumschiff Orion und Enterprise nicht wegzudenken, wird noch eine Weile Zukunftsmusik bleiben. Sehr viel erdnaher, aber durchaus in die Zukunft gerichtet diskutiert wurde das Thema „Mobile Kommunikation in Deutschland“ Mitte Mai in Berlin auf einer Fachtagung. Hinter dem Sammelnamen „Mobile Kommunikation“ verbirgt sich nicht nur das Autotelefon, hinzugekommen sind Pager, Satellitenkommunikation, Bündelfunk und Telepoint (s. Kasten).

Der Mobilfunk gilt als absoluter Wachstumsmarkt. Waren im letzten Jahr europaweit gut 14 Millionen auf die eine oder andere Art per Funk erreichbar, sollen es im Jahr 2.000 einschließlich schnurloser Telefone über 76 Millionen Teilnehmer sein, bei angenommenen Zuwachsraten von 30 Prozent jährlich.

Schwerpunkt der Berliner Tagung waren die digitalen Funktelefonnetze D1 und D2, deren Start für den 1. Juli angekündigt war. Erstmals steht dem D1-Netz der Telekom ein privater Konkurrent gegenüber — das D2 des Mannesmann-Konsortiums. Neben der Sprachübertragung wird es auch Datenfunk und mobiles Fax geben. Wohl wegen der Wettbewerbssituation setzen beide Netzbetreiber auf den 1. Juli, einen Termin, den zumindest die Telekom nicht einhalten wird. Wegen des Mangels an Endgeräten wird der Beginn des öffentlichen Betriebes von D1 auf die Funkausstellung im Herbst verschoben, räumte der Telekom-Geschäftsleiter Mobilfunk, Hans Kerler, ein.

Aber auch ansonsten steckt das neue Netz noch in den Kinderschuhen. Am 1. Juli werden im Rhein- Main-Gebiet lediglich 150 Sende- und Empfangsstationen für das aus Zellen aufgebaute D1 versuchsweise in Betrieb genommen. Für die flächendeckende Versorgung sind jedoch 2.500 bis 3.000 Stationen nötig. Ehrgeiziges Ziel beider Netzbetreiber ist es, das gesamte Bundesgebiet bis 1994 zu erschließen — falls keine Pannen dazwischenfunken.

Zusätzliches Problem für die privaten Mannesmann-Funker ist die Gebührenpolitik der Telekom. Denn die bei den D2-Stationen ankommenden Signale werden über das Leitungsnetz der Telekom weitergeleitet. Dank des noch immer bestehenden Netzmonopols der Postler muß die Mannesmann-Mobilfunk kräftig Miete zahlen — ein eindeutiger Wettbewerbsnachteil. Der Gebührenstreit liegt nach Protesten von Mannesmann bei Postminister Schwarz-Schilling bis zum 14. Juni zur Entscheidung, nachdem die Telekom ihre Zwitterrolle als Netzmonopolist und D2-Konkurrent allzu sehr zum eigenen Vorteil ausnutzen wollte. Entsprechend vage sind die Aussagen, was die D-Netze letztlich an Gebühren kosten werden.

Dank des europaweit gesamteuropäisch vereinbarten GSM-Standarts sollen die D-Mobiltelefonierer ihre Geräte auch in anderen Länder benutzen können — vorausgesetzt, daß in der EG zügig nach der GSM-Norm ausgebaut wird. Denn die Vereinheitlichung ist weniger für reiselustige D-Teilnehmer gedacht als für die Möglichkeit der europaweiten Vermarktung der Endgeräte. Und da könnten nationale Schutzinteressen durchaus noch für Sand im industriepolitischen Getriebe sorgen.

Trotz der Konkurrenzsituation könnten sich die beiden D-Netzbetreiber ganz gut im Markt einrichten — schließlich rechnet die Telekom optimistisch mit über fünf Millionen D1/2-Teilnehmern für das Jahr 2000. Einig waren sich die Tagungsteilnehmer aus Politik und Wirtschaft, daß der Mobilfunk zum „Motor der Telekommunikationsindustrie“ wird. Gleichzeitig verfällt das ohnehin schon eingeschränkte Sprachübertragungsmonopol der Telekom immer mehr — nicht nur im D-Netz, sondern bei sämtlichen Mobilfunkdiensten wird sich die Post früher oder später mit privater Konkurrenz messen müssen — auch das ein Stück Liberalisierung auf dem Weg nach Europa. Bleibt abzuwarten, wann sich auch die Frage nach eimem zweiten Betreiber für ein kabelgestütztes Telefonnetz stellt. Für zusätzlichen Druck dürfte der Telefonnotstand in der Ex-DDR sorgen.

Völlig losgelöst von derlei ordnungspolitischen Überlegungen sorgte Durell W. Hillis für einen Hauch Science-fiction im Berliner InterConti. Der Manager des amerikanischen Mobilfunkherstellers Motorola berichtet von dem weltumspannenden Satellitentelefonnetz „Iridium“, das 1997 den Betrieb aufnehmen soll. Bis dahin sollen geplante siebenundsiebzig (!) Kommunikationssatelliten in eine erdnahe Umlaufbahn geschossen werden. Mittels eines tragbaren „Handheld“- Apparates soll es dann möglich sein, von jedem Punkt der Erde aus drahtlos zu telefonieren — auch in die bestehenden Telefonnetze hinein. Eine Infrastruktur am Boden, wie sie für das D-Telefonieren nötig ist, entfällt. Die Verbindungen werden direkt via Satellit hergestellt, weshalb Motorola-Manager Hillis das System besonders für wenig entwickelte Gebiete empfiehlt, oder in Krisiensituationen, in denen die Telekommunikationsstruktur am Boden ausfällt — eine vorsichtige Formulierung, denn diese Art des Mobilfunks war bislang den Militärs vorbehalten. Konsequenterweise geht der Auftrag für die siebenundsiebzig „Iridium“-Satelliten an den Rüstungshersteller Lockheed. Geschätzte Kosten für das Gesamtsystem: 2,5 Milliarden Dollar.

Offen ist bei allen Mobilfunksystemen, von wem und in welchem Ausmaß sie genutzt werden. Ohne ausreichend Teilnehmer rechnen sich die milliardenschweren Investitionen nicht. Für den Massenmarkt müssen Gebühren und Geräte entsprechend preiswert sein. Für Ursula Neugebauer vom Infratest-Institut stellt sich als zentrale Marketingfrage, den „Wunsch nach ständiger Erreichbarkeit zu wecken“. Das dürfte in der Wirtschaft weniger ein Problem sein. Außendienstmitarbeiter sind per Autotelefon ständig „am Draht“ und können die Daten aus ihren tragbaren Computern per Funk zum Zentralrechner schicken. Die Lastwagenflotten von Speditionen lassen sich per Mobilfunk dirigeren, schriftliche Aufträge werden per drahtlosem Fax direkt ins Brummi- Führerhaus geschickt. Aber auch der Büroalltag wird sich verändern: Wer ein schnurloses Telefon hat, kann auch während des Besuchs beim Kollegen im Nachbarzimmer angerufen werden. Der „Traum der ständigen Erreichbarkeit“ könnte so auch zum Alptraum werden.

Der Leistungsdruck steigt, gleichzeitig wird das Ausweichen vor der Kommandostruktur im Betrieb durch „Nichterreichbarkeit“ um einiges schwieriger. Im privaten Bereich vergrößern sich die Möglichkeiten der sozialen Kontrolle: „Warum nimmst du nicht ab, obwohl du das Telefon in der Manteltasche hast?“ Solche Bedenken waren ebenso wie der Datenschutz allenfalls Thema am Rande und im Pausengespräch. Durch die D-Netze entstehen riesige Datensammlungen bei den Netzbetreibern, die zudem planen, die Vermarktung auch anderen Unternehmen zu überlassen.

Der Mobilfunk ist auf dem besten Wege, Thema für den Umweltschutz zu werden. Ungeklärt ist bislang, welche Auswirkungen die hochfrequente Strahlung auf die menschliche Gesundheit hat. Kritische Stimmen warnen schon vor dem drohenden „Elektrosmog“. Bei der Einführung der D-Netze scheinen derlei Bedenken keine große Rolle zu spielen: Die digitalen Apparate werden in der Startphase eine deutlich höhere Sendeleistung als vergleichbare C-Netz- Telefone haben. So soll der Nachteil der relativ weit auseinanderstehenden Sende- und Empfangsanlagen ausgeglichen werden.

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