„Der Autopilot hat so etwas im Griff“

Boeing-Absturz in Thailand: Flugkapitän widerspricht Lauda-These vom Triebwerksproblem/ Zusätzliche Faktoren müssen bei dem Crash eine wichtige Rolle gespielt haben/ Auch Hersteller Boeing widerspricht Lauda  ■ Von Klaus-Peter Kingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — „Ohne daß ich dem abschließenden Untersuchungsbericht vorgreifen will, bin ich der Auffassung, daß das Umschalten eines Triebwerks auf Umkehrschub alleine nicht zum Absturz der Boeing 767 der Lauda Air geführt haben kann.“

Hajo Lebuser aus Mörfelden-Walldorf, Flugkapitän einer großen deutschen Fluggesellschaft mit Sitz in Frankfurt/Main, nahm gestern auf Nachfrage der taz zum Crash der österreichischen Maschine des ehemaligen Rennfahrers Niki Lauda Stellung, bei dem 223 Menschen ums Leben kamen.

Nach Angaben von Lauda soll der Bordcomputer einem der beiden Triebwerke der Maschine kurz nach dem Start in Bangkok den Befehl zur Schubumkehr signalisiert haben. Der Absturz sei unvermeidbar gewesen.

Der Airbuspilot Lebuser ist dagegen der festen Überzeugung, daß das automatische Steuerungssystem der Maschine eine durch den einsetzenden Umkehrschub eines Triebwerks entstandene instabile Lage des Flugzeugs sofort ausgeglichen hätte. Lebuser: „Das hätte zwar wegen des Schubverlustes einen furchtbaren Schlag gegeben, aber der Autopilot hat so etwas im Griff.“ Auch bei einem Ausfall der automatischen Steuerung sei der plötzliche Umkehrschub kein unlösbares Problem.

In den Handbüchern für die modernen Verkehrsflugzeuge sei das Verfahren, das der Pilot dann einleiten müsse, detailliert beschrieben. Sollte tatsächlich einmal das entsprechende Warnlicht aufleuchten, müsse der Flugzeugführer das betroffene Triebwerk sofort auf Leerlauf schalten und die fälschlicherweise ausgefahrenen Klappen zur Umleitung des Abgasstromes in dem Triebwerk einschwenken. Danach könne der Pilot die Maschine dann mit einem Triebwerk sicher zum nächsten Flughafen fliegen.

Der Pilot Hajo Lebuser widersprach damit den Darstellungen Laudas, wonach kein Pilot der Welt eine solche Situation — eine Düse strahlt nach vorne, die andere nach hinten ab — in den Griff bekommen hätte. Das Umschaltsystem für die Triebwerke sei mit dem Gashebel kombiniert. Mit einem mechanischen Signal oder über Computer werde ein elektronischer Impuls ausgelöst, der — mechanisch oder auch hydraulisch — Druckluft auf die Kolben für die Klappen zum Umlenken des Abgasstromes freisetze.

Der erfahrene Flugkapitän Lebuser vermutet vielmehr, daß bei dem Absturz über Thailand noch andere Faktoren eine Rolle spielten: „Die zurückgelegte Flugstecke und die Flughöhe lassen den Schluß zu, daß die Maschine möglicherweise die zulässige Geschwindigkeit überschritten hatte. Kann sein, daß sich das Triebwerk dann nach dem Umschalten auf Umkehrschub zerlegt hat. Vielleicht kam es dabei noch zu einem Hydraulikverlust.“

Allerdings, so Lebuser, seien das alles Spekulationen. Fest stehe aber, daß es außer dem Umschalten auf Umkehrschub noch zu zusätzlichen Beschädigungen an der Maschine gekommen sein müsse. Dafür spreche auch der Umstand, daß eine Tragfläche der Boeing weit entfernt von den anderen Trümmern aufgefunden wurde.

Auch der US-amerikanische Flugzeughersteller Boeing hat der These Laudas vom Triebwerkfehler inzwischen vehement widersprochen. In einem von der Tageszeitung 'Washington Post‘ veröffentlichten Interview erklärte Boeing- Sprecherin Elizabeth Reese, daß es bislang bei keinem einzigen der 350 Flugzeuge vom Typ Boeing 767 Probleme mit der Schubumkehr gegeben habe.