: Viktorias heile Schenkel
■ Zwischenbericht von den Restaurationsarbeiten an der Quadriga/ Sprüche und Lochfraßkorrosion
Berlin. Noch liegt die griechische Siegesgöttin Nike alias Viktoria auf der Nase, und eines ihrer stattlichen Rosse hängt aufgeschlitzt in den Seilen des Berliner Museums für Verkehr und Technik. Zur 200-Jahr-Feier des Brandenburger Tors am 6. August soll die Quadriga jedoch wieder an ihren angestammten Platz auf das Brandenburger Tor. Bis dahin hat das Restauratorenteam aus Ost und West allerdings noch alle Hände voll zu tun. »Wir träumen schon von Pferdehufen«, stöhnt der Ostberliner Kunstschmiedemeister Jan-Pieter Nitzsche, der zusammen mit einem östlichen Gürtler und zwei Westberliner Restauratoren seit über einem Jahr an der Quadriga schweißt und repariert.
Hauptgrund für die 300.000 Mark teure Großrestauration war das völlig verrottete Innengerüst und nicht, wie viele meinen könnten, die Silvesternacht 1989/90, als Jugendliche das Brandenburger Tor erklommen. »Um die dort entstandenen Blessuren zu beheben, hätten wir die alte Dame samt ihren Pferden nicht herunterhieven müssen«, sagt Nitzsche. Die gestohlenen Lorbeer- und Eichenlaubblätter sowie die Beulen und zerstörten Zügel wären auch oben zu reparieren gewesen. Das verrostete Skelett aus Baustahl hätte die fast sechs Tonnen schwere Figurengruppe höchstens noch zwei Jahre halten können. Lochfraßkorrosion hatte der zwei Millimeter dicken Kupferaußenwand vor allem an den Schweißnähten zugesetzt. Das Eisenskelett wurde nun aus rostfreiem Nirostastahl wiederhergestellt. Aber nicht nur die brüchigen Schweißnähte drohten die äußere Form der Siegesgöttin anzugreifen. Zahlreiche Fans hatten ihre Namen tief in den Busen und Po der Statue eingekratzt. »Die Sprüche wie ‘Ich hau dir auf die Schenkel Große!‚ lassen wir jedoch als geschichtliche Dokumente stehen.« Wenn die Siegesgöttin in neuem Glanz auf das Brandenburger Tor zurückkehrt, wird sie auch den zu DDR-Zeiten entfernten Schinkelschen Eichenlaubkranz mit dem Eisernen Kreuz und dem preußischen Adler in Richtung Stadtmitte zum Osten hin lenken. Nur die bundesdeutsche Flagge wird nicht mehr von ihr wehen. dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen