: USA: Massive Kriegsschäden im Irak
Offizielle Quellen in den USA sprechen von drohender Katastrophe im irakischen Gesundheitssystem ■ Aus Washington Rolf Paasch
Drei Monate nach dem Golfkrieg haben jetzt Beamte der Bush-Administration erstmals zugegeben, daß die im Irak angerichteten Zerstörungen der Infrastruktur im Sommer zu einer medizinischen Katastrophe für die Bevölkerung führen könnten. Den bisher noch geheimen Einschätzungen zufolge haben die Attacken auf die Infrastruktur schwerere und langfristigere Folgen als ursprünglich beabsichtigt. Meldungen der 'New York Times‘ zufolge sind heute noch rund 80 Prozent des irakischen Elektrizitätsnetzes außer Betrieb. Die mangelnde Stromversorgung trifft vor allem auch das Gesundheitswesen. Die US—amerikanischen Bomber hatten von Kriegsbeginn an mit zersplitternden Spezialbomben angegriffen, deren Metallfragmente das System mit einer Serie von Kurzschlüssen völlig lahmlegten.
In den letzten Wochen war in Fernsehberichten aus Bagdad immer wieder die angeblich rasche Normalisierung des irakischen Alltags beschrieben worden. Doch die interne Einschätzung der Lage durch die Bush-Administration gleicht jetzt eher dem UNO-Bericht vom März, der von offizieller Seite bisher immer als „zu apokalyptisch“ abgetan worden war. Die UNO-Beobachter hatten den Schluß gezogen, daß der Irak in seinen „vorindustriellen Zustand“ zurückgebombt worden sei. — Nur wenig Neues lassen die Mitarbeiter der Bush-Administration dagegen zu der geschätzten Zahl der Kriegsopfer durchsickern. Das Pentagon hat sich seit Kriegsende geweigert, Zahlen über getötete Soldaten und Zivilisten herauszugeben. Während sich die Nation auf die großen Siegesparaden am Wochenende in Washington und New York vorbereitet, ist dieses Thema in den USA immer noch tabu. Unabhängige Experten gehen weiterhin von 50-100.000 toten Soldaten aus. Greenpeace schätzte die Zahl der Zivilopfer auf bis zu 150.000.
Die Ölindustrie, Haupteinnahmequelle des Irak vor dem Krieg, benötigt heute Reparaturen in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar, um die Leistung der Pipelines wieder auf Vorkriegsniveau zu heben. Ohne Aufhebung des gegenwärtigen Wirtschaftsembargos dürfte Saddam Hussein seine Ölindustrie nicht in einen exportfähigen Zustand versetzen können; selbst dann nicht, wenn die UNO ihren Mitgliedern den Kauf irakischen Öls wieder erlauben würde.
Der amerikanische Geheimdienst CIA schätzt die Wiederaufbaukosten des Irak auf rund 30 Milliarden Dollar. Nimmt man die jährlich 8 Milliarden Dollar zur Abzahlung der Vorkriegsschulden sowie die jetzt diskutierten Reparationszahlungen an Kuweit hinzu, dann wird deutlich, daß der Irak seinen Wiederaufbau aus eigener Kraft kaum finanzieren können wird; mit oder ohne Saddam Hussein.
Insofern sind auch die gegenwärtigen Diskussionen in der UNO über das Ausmaß der zukünftigen Reparationszahlen an Kuweit eher theoretischer Natur. Erst gestern hatte US- Präsident George Bush die Abführung von 30 Prozent der zukünftigen Öleinnahmen an Kuweit als zu niedrig kritisiert, und von den Irakern 50 Prozent ihrer Öleinnahmen gefordert. Gleichzeitig halten die USA jedoch am Exportverbot für den Irak fest — und versuchen damit das Regime Saddam Husseins gezielt in die wirtschaftliche Krise zu steuern.
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