Grüne für Bonn

Hauptstadt-Grüne aber für Berlin als Regierungssitz  ■ Von Dieter Rulff

Berlin (taz) — Berlin oder Bonn? An dieser Frage scheiden sich mittlerweile auch die grünen Geister. Die Mehrheit der Grünen will nach Einschätzung des Vorstandssprechers Ludger Vollmer den Regierungssitz am Rhein belassen. Denn es sei nicht im Interesse der Grünen Partei, zur Bildung „riesiger Zentren“ oder eines „starken Mo

lochs“ beizutragen. Daran hat auch die Fraktion Bündnis 90/Grüne in Berlin kein Interesse, gleichwohl plädiert sie vehement für eine Verlagerung von Parlament und Regierung an die Spree. Denn diese müßten, so forderten die beiden Berliner Abgeordneten Bernd Köppl und Wolfgang Wieland gestern, „den Sicherheitsabstand zur Realität überwinden“. Nicht das Raumschiff Bonn, sondern „eine Hauptstadt Berlin-Prenzelberg“ wäre das, was die beiden grünen Abgeordneten sich wünschen. Doch orten sie in Westdeutschland, nicht nur bei ihren grünen Parteifreunden, „große psychologische Probleme, Berlin als neue Hauptstadt und Regierungssitz zu akzeptieren“. Um diesen Vorbehalten zu begegnen, dürfe Berlin nicht mit großer Schnauze auftreten, sondern müsse Argumente „bescheiden und rücksichtsvoll vortragen“. Als Zeichen dieser neuen Bescheidenheit fordert die Fraktion Bündnis 90/Grüne den Verzicht Berlins auf die Olympiade im Jahr 2000. Austragungsort könnte dann das Ruhrgebiet werden. Als weiteren ökonomischen und finanziellen Ausgleich bietet man den Bonn-Befürwortern an, dort einige Regierungsfunktionen zu belassen. Die Berliner denken dabei vor allem an das Verteidigungsministerium, ohne das zudem Berlin seinen Charakter als „Friedensstadt“ sehr viel stärker herausstellen könnte. Nicht verzichten will man allerdings auf Bundestag, Bundeskanzleramt und die klassischen Ressorts Inneres, Äußeres, Finanzen und Justiz.

Trotz aller Unterschiedlichkeit der Positionen wird das Gerangel um den Regierungssitz bei den Grünen deutlich niedriger gehängt als bei den anderen Parteien: Beim morgen beginnenden Bundesparteitag steht das Thema noch nicht einmal auf der Tagesordnung.