Stasi-Mitarbeiter darf PDS-Chef bleiben

■ PDS-Parteitag bestätigt den Vorsitzenden Adolphi mit großer Mehrheit in seinem Amt / Drei weitere Abgeordnete bekennen Stasi-Tätigkeit

Berlin. Die Berliner PDS hat ihren Parteichef Wolfram Adolphi trotz dessen Stasi-Mitarbeit in seinem Amt bestätigt. Auf einem Parteitag in der Kreuzberger Jens-Nydahl- Schule sprachen am Samstag von 188 Delegierten 128 Adolphi ihr Vertrauen aus, 59 stimmten dagegen. Vorausgegangen war eine mehrstündige, zum Teil heftige Debatte, in der einige Redner Adolphis Rücktritt gefordert hatten, die meisten jedoch den Parteichef verteidigten. Der Parteichef selbst räumte »Fehler« ein und erklärte, er hätte seine Tätigkeit als inoffizieller Stasi-Mitarbeiter früher offenbaren sollen.

Auf dem Parteitag bekannten sich drei weitere Mitglieder der PDS- Fraktion im Abgeordnetenhaus zu einer früheren inoffiziellen Stasi- Mitarbeit. Der Historiker Wolfgang Girnus erklärte, er habe von 1975 bis 1983 »im Rahmen der Auslandsaufklärung« gearbeitet, habe dafür aber kein Geld bekommen und »ganz sicher« keinem Menschen geschadet. Die »Zusammenarbeit« habe 1983 »nicht nur wegen mangelnden Erfolges« geendet.

Die Diplom-Philosophin Dagmar Pohle bekannte, 1979 eine Verpflichtungserklärung für das MfS unterschrieben zu haben. Sie sei damals von Stasi-Offizieren aufgefordert worden, ihre Bemühungen um eine leerstehende Wohnung in ihrem Haus einzustellen, weil es sich dabei um eine »Kontaktwohnung« gehandelt habe. Darüberhinaus sollte Pohle über »Unregelmäßigkeiten« im Zusammenhang mit der Wohnung informieren.

Wie Pohle will auch der Diplom- Ökonom Norbert Pewestorff nach seiner Unterschrift Ende der 70er Jahre nur kurz mit der Stasi zu tun gehabt haben. Wegen seiner guten Kontakte zu Polen habe er im August 1980 den Auftrag bekommen, »konspirativ« nach Danzig zu fahren, um über die dortigen Arbeiterproteste zu berichten. Er habe anschließend nur einen mündlichen Bericht abgeliefert, der von »viel, viel Verständnis« für die Streikenden geprägt gewesen sei, Namen habe er nicht verraten. Kurz nach dieser Episode habe das MfS den Kontakt zu ihm abgebrochen, sagte Pewestorff.

Am Sonntag verabschiedeten die Delegierten mit großer Mehrheit einen Antrag der Partei-Reformer, in dem eine »konsequente, offene und öffentliche Auseinandersetzung« mit der Stasi-Problematik gefordert wird. Der Antrag wendet sich gegen eine »Pauschalverurteilung« von MfS-Mitarbeitern, fordert aber von Amts- und Mandatsträgern, eine ehemalige Stasi-Tätigkeit offenzulegen.

Der PDS-Bundesvorsitzende Gregor Gysi bedauerte in einer Rede vor dem Parteitag, die »Leidenschaft«, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen, sei in der PDS »sehr begrenzt«. Derartige Versuche hätten stets nur den Charakter eines »Strohfeuers« gehabt. hmt

Siehe auch Bericht Seite 22