: Schluß jetzt!
■ Betr.: Harmloser Ausländerhaß/Rechtsradikalismus in den FNL
betr.: Harmloser Ausländerhaß/ Rechtsradikalismus in den FNL
Meine Frustration der letzten Monate, als die regelmäßigen und systematischen Angriffe auf Ausländer in den neuen Bundesländern nur winzige, trocken gefaßte Meldungen wert waren, wie kleinere Verkehrsunfälle, und ebensowenig von Politikern beachtet (rühmliche Ausnahme: Frau Barbara John), ist zu siedender Wut herangewachsen. Jetzt, da die Opfer europäisch (Polen), oft auch deutsch (Schwule) sind, ist das Thema plötzlich Mode geworden und taucht in unzähligen Fernsehprogrammen und Zeitungsreportagen auf.
Aber nach einem vielversprechenden Bericht in „Mona Lisa“ über heimkehrende Vietnamesinnen, der das Problem aus der Sicht der Betroffenen beleutete, haben sich inzwischen unsere Kirchenvertreter, Politiker und Journalisten (egal wie links) geeinigt: Das ist nur eine bedauerliche Begleiterscheinung der deutschen Arbeitslosigkeit (im Gegensatz zu weniger zivilisierten Ländern, wo es auch ohne geht) und soll vom Arbeitsmarkt gelöst werden.
Es wird Ursachenforschung betrieben, wie wenn man sich um ein verblutendes Verkehrsopfer gruppiert und darüber rätselt, welche Persönlichkeitsprobleme den schuldigen Autofahrer bewogen haben könnten, zu schnell zu fahren. Dabei profilieren sich manche Wissenschaftler mit Fantasietheorien, etwa der geheimen Sehnsucht der Neonazis nach dem Honeckerregime. Es wird zur Gelassenheit ermahnt — von Leuten, die sich nicht bei jedem Ausgang fragen müssen, ob sie es heil wieder zurückschaffen.
Es wird behauptet, das alles hätte es in der alten DDR auch gegeben, nur unberichtet, obwohl die betroffenen Ausländer beteuern, erst seit der Wende auf diese Art bedroht zu werden. Es wird davor gewarnt, die in ihrem Stolz gekränkten sich als „Deutsche zweiter Klasse“ fühlenden Ostdeutschen durch besserwisserische Kritik aus dem Westen noch mehr zu verletzen — auch ein „Deutscher zweiter Klasse“ soll nämlich über Nichtdeutsche nach Lust und Laune herrschen dürfen. Das sei die natürliche Hackordnung — ein makaber passendes Wort.
Es wird bestenfalls zaghaft um „Toleranz“ gebettelt für das Andersartige (wie wäre es mit einem angriffsfreien Tag pro Woche?).
Vom Recht hier lebender Ausländer, wenn schon nicht auf „freie Entfaltung der Persönlichkeit“, dann doch wenigstens darauf, nicht innerhalb und außerhalb ihrer Wohnheime überfallen zu werden, wird nicht klar gesprochen, ebensowenig wie von der moralischen Verantwortung der Bundesregierung diesen Gruppen gegenüber. Man vergleiche damit die Lautstärke der Forderungen nach Durchgreifen gegen die Autonomen in Kreuzberg und Hamburg.
Vielleicht überlegt sich der nächste verständnisvolle Kommentator, was er für ein Deutschlandbild vermittelt, wenn er Dauerterror diesen Ausmaßes als mit der deutschen Demokratie vereinbar darstellt. Wenn, wie manche meinen, das jahrzehntelange Ausbleiben linker Kritik an von Andersfarbigen in Zaire und Guinea verübten Exzessen unbewußt rassistische Gründe hatte, dann beruht die Haltung, von ostdeutschen Arbeitslosen könne man nichts anderes erwarten in einer solchen Notlage, ebenfalls auf Arroganz und beleidigt anständige Arbeitslose.
Ich frage mich:
—Warum bezahlen wir in Städten wie Dresden eine Polizei, wenn da schon freiwillige Millizen nach dem Rechten schauen und ungehindert Selektionen vornehmen dürfen.
—Gelten die Gesetze gegen das Tragen von NS-Insignien nicht in den neuen Bundesländern?
—Was muß noch geschehen, bevor eine moralische Autorität (Brandt, von Weizsäcker...) das Blatt vom Mund nimmt und empört fordert: „Schluß jetzt!“ Patricia Beale, (West-)Berlin
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