: Monica Seles trotzte „Big Brother“
■ Die Jugoslawin besiegte Arantxa Sachez-Vicario nach hartem Kampf mit 6:3 und 6:4 und holte sich den zweiten Grand-Slam-Titel in diesem Jahr/ Becker flog raus, Stich machte keinen Stich
Paris (taz) — Es ist alles beim alten geblieben im Welttennis — das erwartete Weltranglisten-Hallali blieb aus. Zum Glück und unter tätiger Mithilfe von French-Open-Siegerin Monica Seles. Für diese nämlich hätte es schließlich den Gipfel des Hohns bedeutet, wenn Steffi Graf ausgerechnet am Tiefpunkt ihres Könnens durch die Rechenkünste des Computers wieder inthronisiert worden wäre.
Hätte nämlich Arantxa Sanchez- Vicario im zweiten Satz des mitreißenden Frauen-Finales den Schlagattacken von Monica Seles standgehalten und den zweiten French- Open-Erfolg der Weltranglisten-Ersten (6:3, 6:4) gar verhindert, wär Steffi Graf trotz der seit Jahren schlechtesten Leistung wieder auf die Position eins vorgerückt.
Verrückt? Zumindest für den, der sich mit den komplizierten Rechnereien der ATP nicht auskennt. So war das Erstaunen ebenfalls groß, als mitgeteilt wurde, daß ein Finalsieg von Michael Stich über Boris Becker dem Leimener ebenfalls den Platz an der Sonne bescheren und Stich auf einen Schlag auf Platz vier in der Welt katapultieren würde. Jedoch das Wunder auf dem Roten Platz von Paris fand nicht statt: Zunächst unterlag ein tobender und wild mit seiner Unfähigkeit hadernder Boris Becker („Ich treffe einfach gar nichts, raus hier, raus, raus!!!“) dem völlig cool und fehlerfrei daher spielenden André Agassi 5:7, 3:6, 6:3, 1:6 und vertat damit die Chance, Nummer eins zu werden. Anschließend verlor Michael Stich gegen den Schirmmützenfreak Jim Courier 2:6, 7:6, 2:6, 4:6 und freute sich über seinen Sprung unter die Top-Ten: Weltranglistenplatz neun ist der seine. Trotzdem zeigte sich der Norddeutsche gewohnt altklug: „Es ist sehr viel schwerer, ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen als ein anderes.“ Und drohte gar: „Auch aus dieser Niederlage werde ich lernen.“
Selbiges hofft auch Boris Becker, dem erneut der Grand-Slam versaut worden ist: „Ich habe sieben Jahre gebraucht, um in Australien zu gewinnen, eines Tages kann ich auch in Paris siegen.“ Doch so unzufrieden, wie er auf dem Platz schien, zeigte sich der Zweitbeste nicht: „Davon bricht die Welt nicht zusammen. Ich habe viel bessere Gefühle beim Abschied aus Paris als in den vergangenen Jahren. Es war ein sehr enges Match, der erste Satz war entscheidend. Ich konnte es nicht begreifen, daß ich ihn verloren hatte, da war auch schon der zweite Satz weg. Mit meinem Abschneiden in Paris bin ich zufrieden, denn ich war vor dem Turnier nicht gut vorbereitet.“ Und André Agassi frohlockte: „Es war ein sehr enges Match. Auch Boris hätte gewinnen können. Ich hatte etwas Glück, aber das scheine ich in Paris in diesem Jahr abonniert zu haben. Ich habe versucht, Boris laufen zu lassen, und das hat geklappt. Boris war im Kopf nicht bereit.“ Um sein Hirn vor Wimbledon wieder fit zu kriegen, verzichtet Becker nun auf das Vorbereitungsturnier in Queens: „Ich mach erst einmal ein paar Tage Pause, um zu realisieren, was in Paris alles passiert ist.“
Doch zurück zum Wunder: Da hatte Jimmy Connors doch in der dritten Runde gegen den Mimik-Minimalisten Michael Chang gesundheitsbedingt aufgeben müssen. Doch der Mordsspaß (Connors: „Ich geh doch nicht auf den Platz, um mich umzubringen“) scheint Jimbo wieder Appetit gemacht zu haben. Als die spätere Siegerin Monica Seles im Halbfinale Gabriela Sabatini niederrang, verzog sich der alte Löwe still und heimlich auf Court neun — zum Üben. Und schon keimt in uns die Hoffnung: Vielleicht sieht man Jimmy Connors in Wimbledon nicht nur als Kommentator einer US-Fernsehgesellschaft. André L'Heureux
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