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Wenn der Brocken den Bach runtergeht

■ Die Brockenbahn soll die Gipfel stürmen, fürchten die Naturschützer/ Beschleunigte Talfahrt für den Harz/ Förderverein erzwingt einstweilige Verfügung, um Zerstörungsfeldzug gerichtlich zu stoppen

Steckby. Der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Horst Rehberger, drängt auf beschleunigte Fertigstellung der Brockenbahn und wird selbst in wenigen Tagen feierlich zum ersten Spatenstich ansetzen. Den Nationalparkvertretern ist jedoch nicht mehr feierlich zumute, da der Minister die Weichen in Richtung Naturvermarktung statt Naturschutz stellt.

Nach einem Kompromiß zwischen der Nationalparkleitung und dem Abteilungsleiter für Naturschutz im Umweltministerium, Kamm, sollte die Brockenbahn weitgehend naturverträglich verkehren, daß heißt viermal täglich, mit Verkehrsverbot im Winter. Auch der Verwaltung des Naturparks sollte ein Mitspracherecht bei der Festlegung des Bahnbetriebs zukommen. Mit diesen Regelungen wäre es möglich gewesen, die Belastungen für das sensible Gebiet um den Brocken in Grenzen zu halten.

Doch Wirtschaftsminister Rehberger zeigt für Umweltthemen kein Verständnis. Er will demonstrieren, wie es im Sinne des Beschleunigungsgesetzes aufwärtsgehen kann. Die Brockenbahn soll ohne Planfeststellungsverfahren, ohne Raumordnungsverfahren sowie ohne Umweltverträglichkeitsprüfung durchgezogen werden. Nahezu ein Modellbeispiel für künftige Verkehrsplanungen nach Krauses Beschleunigungsgesetz.

Beschränkungen würden nur das Geschäft verderben und den Aufschwung bremsen, so die Ministermeinung. Deshalb soll die Bahn rund ums Jahr fahren und soviel Menschen wie möglich auf den Brocken befördern. Taudende Wintersportler werden dann (wenn's mal schneit) mit Skiern oder Schlitten auf dem Rücken zum höchsten Gipfel streben, um sich eine Abfahrt nach freier Wahl selbst zu suchen. Das Totalreservat (die unberührte Kernzone) des Nationalparkes wird damit zum „Abschuß“ für den wilden Massentourismus freigegeben.

Die sich gerade wieder ansiedelnden Auerhähne werden diese Dauerstörung ebensowenig überleben wie die empfindlichen Brockenmoore. Der Nationalpark stünde dann bestenfalls noch auf wertlosem Papier.

Schon im September diese Jahres soll der Run auf den Gipfel per Bahn beginnen. Die erforderliche Entwässerung des Brockens wird jedoch erst Ende 1992 fertiggestellt sein. Die Abwässer von Zehntausenden Besuchern fließen derweil jenen Bach herunter, an dem mensch Erfrischung finden sollte. Vermarktung um jeden Preis.

Der Förderverein Nationalpark Hochharz hat jedenfalls eine einstweilige Verfügung erwirkt, um den Zerstörungsfeldzug gerichtlich zu stoppen. Ernst Dörfler

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