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Rapsöl statt Diesel — der neue Traum der Groß-Agrarier

Bauern hoffen auf das neue Produkt Biodiesel, das ihnen ihr Einkommen sichern soll/ Agrarpolitiker loben die Umweltverträglichkeit — zu Unrecht  ■ Von Axel Mönch

Nicht mehr Nahrungsmittel, die keiner kaufen will, sollen künftig die Felder in der Bundesrepublik bedecken. Statt dessen soll Raps hektarweise angebaut werden, als umweltfreundliche Energiequelle. Pilotprojekte zur Erzeugung von Biodiesel sprießen in diesem Frühsommer aus dem Boden. So baut in Kiel die Raiffeisen Hauptgenossenschaft eine Anlage, die 8.000 Liter Öl pro Tag aus den Rapssamen pressen kann und es anschließend verbessert. Rapsmethylester (RME) kann, im Gegensatz zum unverarbeiteten pflanzlichen Rohöl, gleich in einem herkömmlichen Dieselmotor verbrannt werden. Das aufwendigere Herstellungsverfahren erspart die Kosten für die Umrüstung des Motors.

Für die Bauern — so die Befürworter des Biodiesels — wäre endlich ein Produkt gefunden, das sich problemlos absetzen ließe. Und die EG könnte sich freuen, daß ihre Agrarkasse von den Getreideüberschüssen loskommt, wenn der Boden verstärkt durch Rapsanbau genutzt würde. „Biodiesel hat Zukunft“, glaubt der niedersächsische Landwirtschaftsminister Karl-Heinz Funke (SPD). Die frühere hessische Agrarministerin Irmgard Reichardt machte das Rapsöl gleich zu einem Schwerpunkt der hessischen Agrarpolitik. „Fünfundzwanzig Prozent der bisher landwirtschaftlich genutzten Fläche der EG können zukünftig zur Erzeugung von nachwachsenden Energieträgern und nachwachsender industrieller Rohstoffe genutzt werden“, beteuert der bayerische Landwirtschaftsminister Hans Maurer (CSU).

Außerdem sei der Biodiesel umweltfreundlicher als seine fossile Konkurrenz, behaupten seine Befürworter. Die Verbrennung von Pflanzenöl trage im Gegensatz zum Erdöl nicht zum Treibhauseffekt bei, da die Pflanzen beim Wachsen auf den Feldern so viele Kohlendioxide verbrauchten, wie bei der Verbrennung des Rapsöls anschließend wieder freigesetzt werden.

Auf einem Versuchsgut in Nordrhein-Westfalen läuft jetzt zur Probe ein Trecker, der mit einem Knopfdruck vom Dieselbetrieb auf Rapsöl umgestellt werden kann. Starten kann das von Klöckner Humboldt Deutz entwickelte Fahrzeug allerdings nur mit dem herkömmlichen Diesel. Fünf Minuten nach dem Start wird der Betrieb auf Rapsöl umgestellt. Und wieder fünf Minuten vor dem Fahrtende darf der Bauer nicht vergessen, wieder auf Diesel umzustellen, damit für den nächsten Start der leichter entzündbare fossile Brennstoff in die Leitungen des Motors fließt.

Nostalgisch mutet das neue Verfahren an: Wie zu Zeiten des Pferdepflügens baut der Landwirt einen Hektar Raps für seine Zugmaschine an, um zehn weitere Hektar bearbeiten zu können. Was auf den ersten Blick an eine intakte Landwirtschaft, an geschlossene Kreisläufe erinnert, stellt sich bei näherer Betrachtung als ein weiterer Luxus der hochindustrialisierten Agrarproduktion, als eine weitere Sackgasse in dem Labyrinth aus Überschüssen und Marktordnungen heraus.

Doch der von Agrarpolitikern gepriesene Biodiesel erweist sich bei näherer Betrachtung als agrarpolitischer Rohrkrepierer: Verglichen mit dem Dieselöl aus dem Bohrloch, das unversteuert schon für 45 Pfennig je Liter zu haben ist, ist das Rapsöl teuer. Preise von etwa 2,20 Mark bis 2,50 Mark pro Liter sind dafür zu zahlen, wenn der massenhafte Anbau von Raps für LandwirtInnen überhaupt interessant werden soll. Schon jetzt steuert die EG bei dieser Kultur mehr als zwei Drittel des Erlöses für die Bauern bei. Damit hebt sie den Rapspreis, der auf dem Weltmarkt bei 30DM pro 100 Kilogramm liegt, auf 80DM pro 100 Kilogramm für den westeuropäischen Erzeuger. Da aus drei Kilogramm Rapssamen ungefähr ein Kilogramm Öl gewonnen wird und das übrigbleibende Rapsschrot noch als Tiernahrung zu verkaufen ist, liegt der Preis des einheimischen Pflanzenöls bei etwa 2,20DM pro Liter.

Selbst wenn Rapsöl nicht versteuert wird, ist es also noch mehr als doppelt so teuer wie seine fossile Konkurrenz. Stolze 2,50DM müßten AutofahrerInnen für den Biodiesel voraussichtlich an der Tankstelle berappen. Ohne die Beihilfe der EG käme der Rapsdiesel zwar wieder in den Bereich des Bezahlbaren — ungefähr eine Mark pro Liter — doch dann würde sich der Anbau für die Landwirtschaft nicht mehr lohnen.

Wenn weder die Verbraucher zahlen möchten noch die Landwirte etwas verlieren wollen, richten sich die Blicke schnell auf die EG. Doch die hat den Hahn jetzt schon halb zugedreht. Nach der drastischen Ausdehnung der Rapsflächen in den vergangenen Jahren und entsprechend hohen Beihilfeleistungen werden die EG-Subventionen für die Erntemonate zunächst halbiert.

Auch als Umweltsanierer kann der Rapsanbau kaum betrachtet werden. Maximale Erträge werden, wie beim Getreide, nur mit hohen Stickstoffgaben erzielt. Raps hat zudem die unangenehme Eigenschaft, dem Boden Basen zu entziehen. Selbst die ausgeglichene Kohlendioxidbilanz ist zu relativieren, wenn man nicht nur das Wachstum und Verbrennen der Pflanzen betrachtet. Der Kohlendioxidverbrauch, der zur Herstellung von Düngemitteln, Spritzmitteln und Maschinen in einer hochtechnisierten Landwirtschaft verbraucht wird, müßte hinzugerechnet werden. Derzeit ist Rapsanbau energieaufwendig und mit den üblichen Umweltsünden der herrschenden Agrarproduktion verbunden. Und Öko-Raps wurde bisher von den euphorischen Biodieselvertretern noch nicht mit in Betracht gezogen.

Bei nüchterner Betrachtung bleiben für das Rapsöl lediglich einige Nischen. Es findet mehr und mehr Verwertung als Schmierstoff für Kettensägen und als Hydrauliköl in umweltempfindlichen Einsatzbereichen, wie etwa im Wald. Nebenher werden von der chemischen Industrie gewisse Mengen an Rapsöl verbraucht. Die benötigten Mengen halten sich jedenfalls in engen Grenzen, so daß sich die als Zauberformel gepriesene Biodieselproduktion als ziemlicher Flopp erweist.

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