: Hoechster Giftmüllskandal kommt vor Gericht
Staatsanwaltschaft erhob Anklage gegen hessischen Landesbeamten ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) — „Nie und nimmer“, so die zuständige Staatsanwaltschaft in Darmstadt, hätte der Sonderabfall der Hoechst AG mit seinen hohen Anteilen an Schwermetallen, polychlorierten Biphenylen und Benzolen, Naphtalinen und aromatischen Aminen auf einer Hausmülldeponie entsorgt werden dürfen. Wurde er aber — und zwar mit Billigung der Hessischen Landesanstalt für Umwelt (HLFU) und per Vertrag mit der damals noch christdemokratisch regierten Stadt Frankfurt.
Exakt 100.000 Tonnen Giftmüll aus der sanierungsbedürftigen Deponie der Hoechst AG in Kriftel wurden in den Jahren 1985-87 auf die Hausmülldeponie Buschlag im Landkreis Offenbach verbracht. Nach einer anonymen Strafanzeige im Mai 1988, die ein Ermittlungsverfahren nach sich zog, fanden die Gutachter „Dioxine, Blei und Quecksilber in ungewöhnlich hohen Konzentrationen“ unter den Abfallbergen. Umweltminister Weimars Kommentar nach Abschluß der Untersuchungen: „Aus den in der Deponie Buchschlag abgelagerten Abfällen der Hoechst-Deponie Kriftel ergibt sich keine nachweisbare Gefährdung für die Umwelt.“
Das sieht die Strafverfolgungsbehörde offenbar anders: Die Staatanwaltschaft erhob jetzt Anklage gegen einen führenden Mitarbeiter der dem Umweltministerium unterstellten HLFU — „wegen umweltgefährdender Abfallbeseitigung“. Der Beamte soll nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ein speziell für den Giftmüll der Hoechst AG entwickeltes „fehlerhaftes Prüfverfahren zur Anwendung gebracht“ haben, durch dessen Maschen die Giftmischer vom Main schlüpfen konnten.
Die Hoechst AG durfte ihren Giftmüll auf der Frankfurter Hausmülldeponie in Buschlag zum Billigtarif von 15 DM per Tonne verbuddeln, wogegen eine „normale“ Hausmüllentsorgung mit 45 DM per Tonne zu Buche schlug. Diesen „Entsorgungsvertrag“ hatten der damalige OB Walter Wallmann und sein Dezernent Daum mit den Hoechstern abgeschlossen. Ein Ermittlungsverfahren gegen Wallmann und Daum wurde von der Frankfurter Staatsanwaltschaft eingestellt.
Damit in einem Gerichtsverfahren nicht nur der Mitarbeiter der HLFU vor dem Richter wird erscheinen müssen, hatte der Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz (BBU) seinerzeit Strafanzeige gegen „alle Beteiligten“ erstattet. Nach Auskunft des Darmstädter Oberstaatsanwaltes Spohn seien während des mehr als zweijährigen Ermittlungsverfahrens allerdings „keine Verdachtsmomente“ gegen andere Personen bekannt geworden. Der Mitarbeiter der HLFU verschweige bis heute seine Motive für die behördliche Hilfestellung für die Hoechst AG.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen