: Fideles Beschattungsunternehmen
■ Ab heute: „Schlagschatten“, eine lichtmalerische Abenteuer-Installation von Berliner Künstlerinnen im KITO
Selten, daß vier Leute, und Künstler–sche zumal, sich auf ein gemeinsames Produkt einigen. Und wenn, ist es gern die sparsame, von Eigensinn gereinigte Schnittmenge konkurrierender Ideen: „Es blieb, was am wenigsten Gegenstimmen gekriegt hat“, sagt Bärbel Rothhaar. Zusammen mit Dagmar Diekmann, Gisela Genthner und Cheryl Joscher, alle wohnhaft in Berlin, hat sie fürs Vegesacker KITO die ganz immaterielle Installation Schlagschatten gemacht (zu sehen ab heute abend).
Da steigen Sie also evtl. die Stiegen zum alten Speicher hinauf und blinzeln plötzlich vor Licht, weil von hinten wirft Sie ein Scheinwerfer ins Spiel, und gegenüber wächst riesenhaft Ihr Schatten weit über Sie hinaus; und überall flattern Schatten durch eine bewegte, lichtflüssige Kulisserie. Husch!
So ein Theater. Der Witz: Sie werden von Ihrem Schatten gespielt. Verzerrt, gebläht, gestaucht und gefaltet, vom Speichergebälk durchkreuzt. Oben unterm First fährt ein Scheinwerfer hin und her, unten streicht Schattengerippe über alles. Die vier Künstlerinnen haben lange herumprobiert. Jetzt macht der alte Speicher noch einmal ein richtiges Drama her. Nachher, im Juli, soll die Installation weiter ziehn, nach Kanada, heißt es, wohl auch Hamburg, New York undsoweiter. Dort muß sie sich neuen Räumen einverleiben.
Unterm Giebel leuchtet hell ein stoffbespannter Stäbequader, beschienen von Diaprojektoren. Drin im Quader wandeln dann, auf weißem Salz, die Leute und wundern sich womöglich über die Schattenfaxen, die Sie sich draußen einfallen lassen. Das wird ein schönes, zwielichtiges Spiel, und Ihr Körper einmal als solcher mittendrin: als ein Zwischending, ein Übersetzer quasi, ein Informationswandler zwischen Licht und Projektion.
Anfangs sollte Wasser aufs transparente Dach gegossen werden. Die Pfützen hätten wunderbar das Oberlicht gequirlt. Ging aber nicht. Und jedes Künstlerinnen-Ego sollte eine von vier Wänden kriegen. Funktionierte erst recht nicht. Blieb doch am Ende die reine Idee. „Und“, sagt Dagmar Diekmann, „profilieren können wir uns unten.“
Eine Etage tiefer sind Einzelwerke von allen vieren ausgestellt. Gisela Genthner (Jg.45) malt quastflächig schwarz auf weiß. Ihre Bilder haben was von kräftiger Architektur, manche sehen aus wie lässig bestelltes Kulturland von oben. Dann wieder gehen irritierte weiße Schnitte durchs Schwarz. Immer steckt darin die These vom krassesten aller Widersprüche. Auf einem Bild reißen die Flächen von den Rändern her ein vor lauter Schwarzweiß.
Bärbel Rothhaar (Jg.57) sägt
hierhin bitte
das abstrakte
Gemälde
Bärbel Rothhaar: „A Try At Dwelling“, Kohle auf Transparentpapier
einfache Formen aus dickem Holz und verleimt sie zu schweren, flunderplatten Skulpturen. Deren Bemalung mit fiktiv räumlichen Szenerien ergibt feine Wechselspielchen: Das Bild, ein Realklotz in W-Form, täuscht das Perspektivbild eines Rohres vor. Oder umgekehrt?
Aus Cheryl Joschers (Jg.58) Arbeiten raunt es ziemlich müttermythisch. Da ragt, aus spiralig gehäufter Erde, am Stab eine Maske, im Schälchen liegen Muscheln aus. Und es herrscht über alle Symbole als Ewigweibliches, nicht wahr, der Kreis. Aber Charme hat doch, was da alles wimmelt und wispert: Haare in Zöpfen und Drahtgeflecht und auch Pergament, und auf–m Boden wirkliches Moos aus Berlin.
In Dagmar Diekmanns (Jg.54) Bildern hingegen verleimen sich Sand und Schwarzweißrot zu einer quasi materiellen Fläche. Eine inzwischen etwas ausgemergelte Technik. An manchen Stellen aber ist Wellpappe wie eingewachsen und macht, daß alles beklemmend nach Verletzung, nach Provisorium und Flickerei aussieht.
Heute abend um 20 Uhr ist Eröffnung. Da dürfen Sie schon überall rumlaufen, und zweie spielen zur Feierlichkeit Musik: Claudia Birkholz (Klavier) und Masakazu Nishimine (Schlagwerk) führen „Dialog“ zu Ohren,
eine Komposition des Ostmusikus Lothar Voigtländer (Jg.43). Manfred Dworschak
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