: Den Frust mit Hundebissen ablassen
■ Michael K. wurde Opfer von einem der jährlich 300 in Berlin angezeigten Halter bissiger Hunde/ Schäferhund und Herrchen stürzten aus einer Kreuzberger Wagenburg auf ihn los
Berlin. Bericht des Studenten Michael K. (Name von der Red. geändert): Am späten Samstagabend radelten er und seine Freundin über die Freifläche, wo früher die Mauer stand. Hinter der Wohnwagenkolonie an der Luckauer Straße in Kreuzberg hielten sie an. Da stürzte ein großer Schäferhund, der mit seinem Herrchen aus der Wagenburg gekommen war, auf Michael K. zu und biß ihn in den Arm. Als Michael K. sich bei dem Herrchen beschwerte, fuhr ihn dieser an: »Ich schlag dir den Schädel ein.« Der Mann eilte in die Wagenburg zurück, und kam kurz darauf mit einem Baseballschläger wieder. Michael K. und seine Freundin, die den weiter um sich beißenden Hund mit Tränengas abzuwehren versucht hatten, radelten Hals über Kopf davon. Der Schäferhund wurde vom Herrchen hinterhergehetzt, biß Michael K. in die Schulter und stürzte ihn mit einem zweiten Biß in die Wade vom Fahrrad. Als Passanten versuchten, Michael K. zu helfen, verschwanden Herrchen und Hund unerkannt in der Dunkelheit.
Michael K. hatte noch in derselben Nacht Anzeige bei der Polizei erstattet. Auf Nachfrage der taz erklärte die Polizeipressestelle gestern lapidar, die Ermittlungen gegen Unbekannt dauerten noch an.
Der Tierarzt des Kreuzberger Bezirksamts, Doktor Sievers, zeigte sich von dem Vorfall nicht besonders überrascht. Nach seinen Angaben sei Kreuzberg der Bezirk mit den meisten Angriffen von Hunden auf Menschen. Allein im vergangenen Jahr wurden 300 Hundebisse registriert, wobei es sich nur um Vorfälle handelt, wo Anzeige erstattet wurde. In 20 Prozent der Fälle handelte es sich um Schäferhunde. Auch die Wagenburg, die jetzt zum Bezirk Mitte gehört, ist Sievers schon lange ein Begriff. »Die Wagenburg ist ein wahnsinniges Problem, was Hunde angeht«, sagte der Tierarzt. Er habe dort schon mehrfach Kontrollen und im Frühjahr sogar eine Razzia durchgeführt. Der Grund für die Razzia war, daß im Frühjahr »fünf bis sechs Anzeigen« wegen Hundebissen in dem Areal um die Wagenburg erstattet worden waren. Die Razzia, bei der die Hundefänger versuchten, die Hunde einzufangen, verlief ergebnislos, weil die Tölen beim Eintreffen der Behördenmitarbeiter sofort in die Wohnwagen gepfiffen wurden. »Wir mußten die Aktion abbrechen«, so Sievers, »weil wir ohne einen Durchsuchungsbefehl nicht in die Wagen hinein konnten.« Der Tierarzt geht davon aus, daß die Anzeige von Michael K. zu keinem Ergebnis führen wird.
Sofern der Hundehalter ermittelt wird, muß der jeweilige Hund, der einen Menschen gebissen hat, vom Bezirks-Tierarzt auf Krankheiten wie Tollwut untersucht werden. Nach dem ersten Biß wird vom Tierarzt in der Regel ein Leinenzwang verordnet, nach dem zweiten ein Maulkorb, nach dem dritten Biß wird der Hund eingeschläfert. plu
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