piwik no script img

Protest stoppt Kahlschlag bei Kitas

In Nordrhein-Westfalen zwangen Eltern die SPD-Landtagsfraktion zum Umdenken/ Gesetz über Kindertagesstätten für freie Elterninitiativen verbessert/ Protestveranstaltung des DPWV findet statt  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Nach massiven Protesten von Eltern und Verbänden wird das — in erster Lesung bereits beratene — neue Gesetz über Kindertagesstätten in Nordrhein-Westfalen nun entscheidend verbessert.

Ein Inkraftreten des auch von den Oppositionsparteien abgelehnten Referentenentwurfes hätte vor allem die finanziellen Grundlagen der etwa 700 Elterninitiativen — und damit die Existenz von 20.000 Kindertagesplätzen — „gefährdet“, so der Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV). Eine massive, nach Einkommen gestaffelte Erhöhung der Elternbeiträge für alle Kindergärten und -tageseinrichtungen, sowie unklare Regelungen beim Trägeranteil, den die Elterninitiativen als Träger ihrer Kinderläden zusätzlich aufzubringen haben, nährten die Befürchtungen auf „große zusätzliche finanzielle Belastungen“ für die freien Gruppen. So errechnete etwa die Kindertagesstätte Wuppnub in Düsseldorf, daß für Eltern mit einem Bruttojahreseinkommen bis zu 48.000 DM sich der Beitrag von jetzt 191 auf 342 Mark monatlich erhöht hätte. Nach der zur Zeit gültigen Regelung liegt der Trägeranteil an den Gesamtbetriebskosten, den Elterninitiativen aufzubringen haben, höchstens bei 13 Prozent.

Das neue Gesetz ließ eine Steigerung dieses Anteils im Extremfall auf bis zu 27 Prozent zu. Damit die Elterninitiativen weiter existieren können, müsse die öffentliche Hand die Übernahme von „mindestens 95 Prozent der Investitions- und Betriebskosten garantieren“, fordert der DPWV. Das Urteil des zuständigen Düsseldorfer Sozialministeriums stand schnell fest: „Als unseriöse Stimmungsmache und für die Situation der freien Kindergartenträger wenig hilfreiche Panikmache hat Sozialminister Hermann Heinemann die Äußerungen des DPWV zum Gesetzentwurf über die Förderung von Kindertageseinrichtungen in NRW zurückgewiesen.“

Am Dienstag dieser Woche — das Wort von der „unseriösen Panikmache“ war kaum vier Wochen alt — überraschte die Düsseldorfer Landtagsfraktion der SPD, deren Abgeordnete überall im Lande den Protest der Eltern und Kinder hautnah zu spüren bekommen hatten, mit einer unerwarteten Erklärung. Die Elterinitiativen, so teilte die Fraktion jetzt mit, „sollen einen Rechtsanspruch auf 95 Prozent Zuschuß zu den Betriebskosten erhalten“. Damit liegt die SPD-Fraktion exakt auf der Linie der „unseriösen Panikmacher“. Sogenannte „finanzschwache Träger“, gemeint sind damit z.B. Einrichtungen des Roten Kreuzes oder der Arbeiterwohlfahrt, erhalten künftig 90 Prozent Betriebskostenzuschuß. Dieselbe Finanzierungsquote solle auch für Investitionen gelten, erklärte der jugendpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Heinz Hilgers, gegenüber der taz. Damit würden die Initiativen und die sogenannten „armen Träger“ sogar besser gestellt als nach dem geltenden Recht. Eine solche Regelung „würde mich in Entzücken versetzen“, kommentierte Joachim Merchel, Abteilungsleiter beim DPWV in Wuppertal, diese Meldungen. Merkel wies jedoch darauf hin, daß im Gesetz davon noch nichts steht und unklar sei, „ob der Finanzminister dabei mitspielt“. Daran hat SPD-Mann Hilgers indes keine Zweifel. „Wir wären damit nicht in die Öffentlichkeit gegangen, wenn der Finanzminister nicht zugestimmt hätte.“ Insgesamt wird das Land nun etwa 35 Mio. Mark pro Jahr mehr für die freien Gruppen aufwenden müssen. Die für den 29. Juni in Düsseldorf geplanten Protestveranstaltung des DPWV wird, so Merchel, trotz der „positiven Signale“ stattfinden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen