: Figuren auf dem Videoschachbrett
■ Sam Peckinpahs Agentenpuzzle „Osterman Weekend“, um 22 Uhr, Pro 7
Zärtlich umarmt der Mann die Frau, küßt und streichelt sie. Auf ihrem Gesicht ist der Ausdruck von Glück zu erkennen. Auch der Mann räkelt sich lustvoll auf dem Laken. Nur eines stört. Das Bild ist in die grob auflösende, schraffierte Zeilenästhetik eines Videobildes gerastert. Die pornographische Überwachungsoptik erzeugt Unbehagen. Allein die entspannten, sich unbeobachtet wähnenden Gesichter der Liebenden geraten im kühlen Videoblick zum Zeichen einer Bedrohung. Während der Mann unter die Dusche geht, wird die Frau im Bett von lautlos herbeitretenden vermummten Männern unkompliziert und präzise wie ein Stück Vieh abgetötet. Nicht gerade der Glückstag für den Spitzenagenten Fasset (John Hurt). Mit von ihm täglich angewendeten Mitteln wird er übertölpelt.
Der CIA-Boß selbst (Burt Lancaster) hatte die Ermordung veranlaßt, um die Destruktionskraft seines nunmehr rachedürstigen Spitzenmannes für seine Zwecke auszunutzen. Verwirrend vielschichtig fädelt Sam Peckinpah sein Medienpuzzle über verstaubte Feindbilder und millionenschwere Steuerhinterziehung ein. Vier erfolgreiche Geschäftsmänner treffen sich einmal pro Jahr im Landhaus des liberalen Enthüllungsjournalisten Tanner (Rutger Hauer) zum sogenannten „Osterman Weekend“. Diesmal haben die Freunde etwas voreinander zu verbergen, belauern einander. Jeder hat von Fasset fingierte Nachrichten zugespielt bekommen, der das ganze Treffen von seiner mobilen Schaltzentrale aus mit sardonischem Grinsen überwacht.
Nach und nach erfahren wir, daß Fasset wiederum längst begriffen hat, wo der Hase lang läuft. Er täuscht jetzt seinen Boß, indem er ihm mit manipulierten Bildern des Osterman Weekends eine kommunistische Verschwörung vorgaukelt. Die zu Marionetten degradierten Protagonisten seines teuflischen Spiels schiebt er halb gelangweilt, halb verbittert wie Schachfiguren über das durch zig Medien sich erstreckende Spiel- und Schlachtfeld. Im fahlen Licht der Videomonitore entsteht der Eindruck, als würde das verlebte Gesicht John Hurts mit dem Zigarettenrauch die Lebensgeister der Überwachten mit einschloten.
Die ahnungslos im Netz zappelnden Opfer werden scharf charakterisiert als häßliche Amerikaner, fahrig-geil, feige und ordinär. Intimität wird entweder als ekelhafter Krampf dargestellt oder von gläserner Überwachung zerstört. Die einzigen Sympathien, die folglich im Fortgang der Handlung zur treibenden Identifikation geraten, liegen bei Tanner und dessen Frau (Meg Foster). Die Bösen und Häßlichen sterben als verbrauchtes Manipulationsmaterial in berstenden Autos, während die Guten Gelegenheit haben, sich im gewohnt detailverliebten Showdown als Einzelkämpfer zu profilieren.
Peckinpah, der 1984 verstorbene „Erfinder“ der Zeitlupe hat in seinem letzten Film noch einmal alle Register gezogen. Handwerklich ohne Makel und ohne prätentiöse Spekulation. Zum Mitschreiben sozusagen. Manfred Riepe
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