: In zwei Wochen gehn die Steuern rauf
■ Kompromiß zwischen Koalition und SPD-Ländern/ Millionärssteuern bleiben/ Keine Einkommensuntergrenze bei zusätzlichen Belastungen/ Höhere Mehrwertsteuer ab 1993
Bonn (dpa) — Die Bundesbürger müssen ab 1. Juli tiefer in die Tasche greifen. Nach einem 15stündigen Verhandlungsmarathon erreichte der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat am frühen Samstag morgen in Bonn den Durchbruch für das in der Länderkammer von den SPD-regierten Ländern gestoppte Steuerpaket. Danach wird zur Finanzierung der deutschen Einheit für ein Jahr eine 7,5prozentige Ergänzungsabgabe auf die Lohn-, Einkommens- und Körperschaftssteuer erhoben. Außerdem werden die Steuern auf Benzin, Gas, Heizöl, Diesel-Pkws (Kfz-Steuer) und Versicherungsprämien angehoben. Die Tabaksteuererhöhung folgt zum 1.1.1992. Die Vermögens- und Kapitalsteuer wird in Westdeutschland nicht gesenkt und soll in Ostdeutschland ab 1993 erhoben werden.
Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) bekräftigte, daß zum 1. Januar 1993 die Mehrwertsteuererhöhung ansteht. „Das verlangen auch die Länder“, sagte Waigel am Samstag abend. Auf die Erhöhung — von jetzt 14 auf 15 oder 16 Prozent — „haben wir uns noch nicht festgelegt“. Waigel betonte, die Ergebnisse des Vermittlungsverfahrens bedeuteten zumindest für 1991 keinerlei neue Kreditaufnahme. Er wolle die SPD auch bei dem im Herbst diskutierten Steueränderungsgesetz 1992 einbinden. Die SPD hat bisher jede Mehrwertsteuererhöhung abgelehnt. Freitag nacht hatten die Bonner Regierungskoalition und die SPD in Bund und Ländern einen Kompromiß für das Steueränderungsgesetz 1991, das Haushaltsbegleitgesetz 1991 und das Solidaritätsgesetz mit den Steuererhöhungen zum 1. Juli gefunden. Damit können die Gesetze zeitgerecht an diesem Freitag im Bundesrat und am 27. Juni im Bundestag abgesegnet werden. Gleichzeitig werden die neuen Steuerimpulse für Investitionen in den neuen Ländern ohne Verzögerung wirksam. Ob alle Arbeitgeber es schaffen, die Ergänzungsabgabe schon mit der Juli-Abrechnung einzuziehen, ist nach Ansicht von Finanzexperten fraglich. Der Durchbruch im Vermittlungsausschuß kam mit der Entscheidung, auch in Ostdeutschland die Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer grundsätzlich gelten zu lassen, wie die SPD gefordert hatte. Diese Steuern werden aber wegen Schwierigkeiten beim Verwaltungsaufbau in den neuen Ländern 1991 und 1992 nicht erhoben. Damit sei das Vorhaben der Regierung gestoppt, die Vermögens- und Gewerbekapitalsteuer von 1993 an bundesweit abzuschaffen, erklärte der SPD-Politiker Peter Struck. Dafür mußte die SPD auf Einkommensgrenzen bei der Ergänzungsabgabe verzichten. Die zwölfprozentige Investitionszulage in den neuen Ländern wird zwar nicht gemäß SPD-Wunsch auf 25 Prozent erhöht, aber um ein halbes Jahr bis Juli 1992 verlängert. marke
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