„Wer für den ANC ist, riskiert sein Leben“

Der ehemalige Major des südafrikanischen Geheimdienstes, Nico Basson, behauptet, der Geheimdienst stecke hinter der Gewaltwelle und Einschüchterungskampagne gegen den ANC  ■ Von Willi Germund

Johannesburg (taz) — „Wir waren erfolgreich“, versucht Nico Basson jeden Zweifel auszuräumen, daß „Operation Agree“ ein Reinfall gewesen sei, „wir haben die Swapo in Namibia bei den Wahlen von möglichen 70 bis 80 Prozent auf etwas mehr als 50 Prozent gedrückt.“ Die Bedeutung des Unterschieds: Die Mehrheit reicht nicht, um in Afrikas jüngstem Staat eine Verfassungsänderung durchzusetzen. 15 Jahre arbeitete Nico Basson mit Südafrikas Streitkräften. Spricht er die Wahrheit, dann organisierte die ehemalige Besatzungsmacht Südafrika mit „Operation Agree“ nicht nur eine gewiefte Kampagne auf politischem und militärischen Niveau in Namibia, sondern inszeniert nach dem dortigen Vorbild gegenwärtig ähnliches in Südafrika gegen den „African National Congress“ (ANC). Laut Basson steckt Pretoria hinter der Gewaltwelle, verteilt Sturmgewehre an die konservative Zulu-Bewegung Inkatha und manipuliert die Medien, um den ANC zu schwächen und die Anhänger einzuschüchtern. Die politisch Verantwortlichen: Südafrikas Verteidigungsminister Magnus Malan und Außenminister Pik Botha. Die Vergangenheit des 34jährigen Basson spricht nicht nur für sich, von offizieller Seite wird auch nicht bestritten, daß er als Agent in Namibia tätig war. Dementiert werden nur die Angaben von Basson.

Seine ehemaligen Kollegen in Namibia, so erzählt der hagere Basson in seinem verglasten Büro im vornehmen Viertel Dunkeld West in Johannesburg, seien jetzt in Südafrika tätig — und er beobachtet Erfolge. „Vor einem halben Jahr konnte man überall Leute in ANC-T-Shirts sehen, ja, vor manchen Häusern wehten sogar die Fahnen. Das ist alles verschwunden. Ein Ergebnis der Einschüchterungskampagne“, sagt Basson. Auch die zunehmende Aufmerksamkeit, die Südafrikas regierungsnahe Presse den Finanzierungsquellen des ANC widme, sei ein Zeichen für das heimliche Wirken südafrikanischer Geheimdienstler.

Basson selbst war im Medienbereich eingesetzt und entwickelte sich zum Profi bei der „Übermittlung von Botschaften“: „In Soweto ist die Botschaft angekommen: Wer für den ANC ist, riskiert sein Leben.“ In Namibia hatte man es auch mit Kampagnen übler Nachreden versucht — vergeblich. Basson: „So was ist nicht glaubwürdig, man muß nachweisen können, woher die Beschuldigungen kommen.“ Gut funktioniert dagegen habe die Arbeit in der Frage der Folter von Gefangenen durch die heute regierende Swapo. Basson: „Da haben wir ordentlich gearbeitet, um das weit zu verbreiten.“

Offensichtlich hatten Südafrikas Propaganda-Geheimdienstler auch Unterstützung aus dem Ausland. Basson: „Ich selbst habe mit Israelis zu tun gehabt.“ Armeegeneral Jannie Geldenhuis, der fließend Spanisch spricht, sei häufig nach Mittelamerika gereist. Auch Taiwan habe seine Schulungsmöglichkeiten eingesetzt. Selbst der US-Geheimdienst CIA soll ausgeholfen haben. Das Ergebnis laut Basson: „Wir haben eine der weltbesten Techniken entwickelt.“ Schon jetzt stehe auch die Strategie für Angola. Südafrika wolle Mitglieder der Sondereinheit „Bat 21“, getarnt als Rückkehrer aus dem Exil, einschleusen. Sie sollten dann die politische Arbeit der rechtsgerichteten Unita unter Jonas Savimbi organisieren.

Von 1983 bis 1986 war Basson Major in Südafrikas Streitkräften, und bis Anfang des letzten Jahres diente er als „Reservist“ in der Citizen Force. In dieser Eigenschaft wurde er auch nach Namibia geschickt. Sein Einsatzort: Abteilung Kommunikation. Noch heute verteilt Basson Visitenkarten von ACP, einer PR-Firma, von der in Namibia jeder wußte, daß sie für den südafrikanischen Geheimdienst arbeitete.

Basson behauptet, 1989 drei Mordversuche überlebt zu haben. Anfang des Jahres ist er unter mysteriösen Umständen vier Tage lang verschwunden. Als einige Zeitungen über den Fall berichteten, wurde Südafrikas Verteidigungsministerium aktiv und zwang die Blätter nicht nur zum Stopp weiterer Berichte, sondern auch zur Herausgabe ihrer Unterlagen. Warum er nun trotzdem auspackt: „Ich habe erkannt, daß die Folgen fatal sein können.“ Dennoch ist nicht klar, wieso er nun plötzlich redet — zumal er leicht ein Opfer eines neuen Anschlags werden könnte. Möglicherweise aber genießt Basson Regierungsschutz. Denn Präsident Frederik de Klerk könnte auf die Macht der Enthüllungen hoffen, da bisher alle anderen Mittel versagt haben, mit denen er seit Herbst des letzten Jahres Verteidigungsminister Magnus Malan aus dem Kabinett zu entfernen suchte. Möglich ist im Umfeld des Geheimdienstes viel. Und eine Antwort von Basson deutet in diese Richtung: „Wenn ich mit allem auspacke, dann stürzt die Regierung. Aber dann würde die extreme Rechte wieder an die Macht kommen, und das will ich nicht.“